Fest der Schallwellen

Waves+Vienna++Music+Festival++Conference+2013+waves[1]Von 3. bis 6. Oktober fand an insgesamt 16 handverlesenen Locations in Wiens Innenstadt das Waves Vienna-Festival statt. Zum mittlerweile dritten Mal konnten sich Musikfans vom schöpferischen Wellengang der über 100 Künstler in all seinen Aufwölbungen und Brechungen tragen lassen. Ein beispielgebender Erfahrungsbericht von Tag Zwei. Von Martin Macho

12.900 Besucher an vier Tagen bedeuteten für die Organisatoren des Waves Vienna neuerlichen Rekord und zeugten von der magnetischen Kraft, die Popmusik noch immer eigen ist, wenn man sie richtig ins Bild zu rücken versteht. Den Veranstaltern der jetzt schon dritten Auflage ist hier zu gratulieren. Aus der zeitgemäßen Bewältigung der Herausforderungen, die ein Spektakel dieser Größenordnung mit über ein Dutzend Venues aufwirft, entfaltete sich der barrierefreie Musikkonsum, d.h. die kollektive Reizerfahrung mit maximaler Unmittelbarkeit.

Wieder modellierten Internationalität und Vielschichtigkeit das Credo des Waves Vienna. „East Meets West“ lautete nicht umsonst der übertitelnde Festivalgedanke, nicht von ungefähr kam die Verständigung auf prononcierte Gastländer – diesmal Slowenien und Belgien. Darüber hinaus erfolgte die Ausweitung der Veranstaltungsgrenzen mit der Geburt eines Festivalzwillings: Waves Bratislava konnte beim Debüt immerhin 3.000 Besucher verzeichnen. Der Abwechslungsreichtum der Veranstaltungsorte und der gebotenen Acts trug den mannigfaltigen Bedürfnissen des Publikums souverän Rechnung. Anhand von Festivaltag Zwei soll ein konzentriertes Beispiel davon gegeben werden.

Flamboyant am Brandwagen 

Denkt man ein bissl schräg, möchte man einem allfälligen Wettergott für seinen feinsinnigen Humor die uneingeschränkte Bewunderung aussprechen. Der bedachte nämlich die Gegend des zweiten Bezirks just zur Festivalzeit getreu dem Motto „Ohne Wind keine Waves“ mit einem derart zünftigen Blasius, dass es einem fast Zahnplomben zog. Immerhin, konsequent ist er. Zum Schenkelklopfen.

Flex © Richard Taylor

Die Behaglichkeit brachten dann die musikalischen Darbietungen. Zwar war den Bands beim Red Bull Brandwagen direkt am Donaukanal bühnenmäßig der Dreifach-Jackpot (Freiluft!) beschieden. Den unwirtlichen äußeren Bedingungen wurde durch die flamboyanten Shows jedoch gehörig der Kampf angesagt.

Go! Go! Gorillo
Go! Go! Gorillo

Furios gleich der Einstieg in den Abend mit Go! Go! Gorillo. Der Auftritt der Wiener legte ab Minute Eins die Vermutung nahe, dass das rote Energy-Gesöff neben Flügel auch Gripperesistenz verleihen muss. Was ein ordentlicher King Kong des Rock´n´Roll ist, den können auch noch so klamme Finger oder angeraute Stimmbänder nicht von der zu leistenden Arbeit abbringen. Im Gegenteil, nach einigen abwägenden Blicken gen Himmel schien sich der vierköpfige Rockgorilla zu einem grimmigen „Nicht mit mir!“ durchgerungen zu haben, und vergalt Gleiches mit Gleichem. Die Songs des in Bälde erscheinenden neuen Albums und Bewährtes fegten ihrerseits wie ein Orkan von der Bühne zur gut gefüllten Publikumszone davor, und versetzten Wind und Wetter die gebührliche Breitseite.

Für die slowenisch-finnischen Indie-Rocker von The Toronto Drug Bust war mithin der Boden bereitet. Präsentiert wurden Titel vom Debütalbum „Enfant Terrible“. Dem programmatischen Titel stand dann der Gig in nichts nach, schreckliche Kinder eben. Wer sich die stilistische Orientierung am neuen Alternative-Zirkel mit Kooks oder Wombats erwartete, wurde bestätigt. Ein solider Auftritt ohne Überraschungen.

Als ob der kürzlich verblichene Ray Manzarek von den Doors seinen mulmigen Orgelsound vorsorglich an Deep Purple weitervererbt hätte. So spielte und klang dann der Abschluss-Act Birth Of Joy aus den Niederlanden, eine eindrückliche akustische Revitalisierungsmaßnahme des Golden Age Of Rock´n´Roll. In der untypischen Besetzung Gitarre-Orgel-Drums lieferte das Trio am Brandwagen den Fans ein mitreißendes Outro in die Nacht.

Kontrastreiche  Beatboxx

Aidan Knight
Aidan Knight

Drüben, über dem großen Fluss, transdanubisch quasi, in der gesteckt vollen Beatboxx, drangen zunächst weitaus betulichere Töne hinaus in die Tempelgasse. Verantwortlich dafür zeichneten zwei Fünftel der kanadischen New/Experimental Folk-Band Aidan Knight. Julia Wakal und eben dieser Knight reichten an Gitarre, Keys und Trompete regelrechte Herbstelegien dar, Lieder, die in ihrer schwermütigen Schönheit für nichts anderes als den ausgedehnten Waldspaziergang samt obligatorischem Holzfäller-Outfit geschrieben zu sein schienen. Der Bretterboden der Beatboxx gerann da als optisches Pastell makellos in die erschaffenen Klangbilder – Wooden Music. Kanadas genuine Folk Rock-Poeten Neil Young, Robbie Robertson oder Joni Mitchell finden in Aidan Knight zweifelsfrei ihre würdigen Nachfolger, schwenken nicht ohne Stolz die Maple Leaf-Flagge und erheben das Glas Ahornsirup.

Das Waves ist ein Fest der Kontraste. Kaum jemand mochte das nachhaltiger belegen als der Slowene Miha Blažič alias N´toko. Auf der Aktivitätsskala am Gegenpol zum versonnenen Aidan Knight angesiedelt, stellte dieser dem intimen Rahmen der Beatboxx in atemberaubender Weise eine rhythmisierte Zappelphillip-Show aus Rap und Hip-Hop-Sequenzen entgegen. Die geloopten Samples erweckten Anmutungen eines mittelgroßen Orchesters, das fulminante Wechselspiel von selbstbestimmter Soundregulierung und Gesangspassagen schwappte binnen kürzester Zeit auf das Publikum über. Wogen der Begeisterung dann. „My Mind Is My Business“ deklamierte die slowenische Einmannband da in einem ihrer Songs mantraartig immer wieder von Neuem. Die Geschäftsidee mit dem Geist lukriert den Groove, er ist N´tokos Kapital. Vermochte er doch, einem mächtigen Brecher gleich, die Schwellen zwischen Künstler, bzw. seinem Kunstwerk, und Betrachter niederzureißen.

 

Erneut empfahl sich das Waves Vienna als Sammelbecken der Popkultur mit wohlklingendem Wellenschlag. Dessen künstlerischer Ausfluss hat Tiefgang und mündet im Wunsch nach Weiterverbleib. Das nächste Waves-Festival – dies wurde schon fixiert – wird daher von 2. bis 5. Oktober 2014 stattfinden.

 

Weblinks:

www.wavesvienna.com

www.gogogorillo.com

www.facebook.com/TorontoDrugBust

www.birthofjoy.com

www.aidanknight.com

www.ntoko.si

 

Fotocredits:

Crowdpic (Flex)|| © Richard Taylor

Go! Go! Gorillo|| © Michael Keller

Aidan Knight|| © Aidan Knight