Raphaela Fries

Raphaela Fries trommelt bei heimischen Artists wie pauT, Monsterheart oder Satuo und hat vor kurzem mit der Prater WG das Debütalbum präsentiert. Der perfekte Anlass, um mit ihr über verschiedene Sounds, musikalische Einflüsse und Live-Erfahrungen zu sprechen.
Von Patrick Tilg

Wie und mit welchem Alter hast du das Schlagzeug kennen und lieben gelernt?

Ich denke, dass die vorbeiziehenden Marschtrommeln in der Wachau ausschlaggebend für mein Interesse an diesem Instrument waren. Da es damals mein größter Wunsch war, Mitglied dieser Blaskapelle zu werden, lernte ich mit neun Jahren die Kleine Trommel. Von Beginn an wurde mir auch der Umgang mit den Pauken, dem Xylophon und dem Drumset gelernt.

Was war die spannendste Erfahrung mit deinem Instrument?

Sehr beeindruckend ist immer der Moment, in dem ich meinen Schüler*innen mehr als nur Noten vermitteln kann. Ihnen zuzusehen, wie sie einen Song spüren und mit vollem Elan und Motivation dabei sind, ist eine sehr wertvolle Erfahrung für mich als Musikerin. Die Kinder zeigen mir, was das Wichtigste ist, nämlich Spaß am Spielen zu haben (zumindest meistens).

Spielst du lieber live oder im Studio?

Ich mach beides sehr gerne, denn jede Situation hat seine eigenen Vorzüge. Bei Livekonzerten ist natürlich das Publikum ein wichtiger Teil des Geschehens. Sie bestimmen die Atmosphäre des Abends. Gerade jetzt, in der Corona-Zeit merkt man, wie wichtig das Publikum ist. Ein halbgefüllter Saal mit Sitzplätzen wird nie die selbe Stimmung erzeugen können, wie tanzende, mitreisende Gäste. Beim Live-Spielen zählt außerdem der Moment. Du musst in jeder Sekunde abliefern und hast keinen zweiten Take. Das hat schon auch seinen speziellen Reiz. Im Studio genieße ich die Ruhe in meinem Aufnahmekammerl. Die Konzentration und der Fokus ist ganz anders als live. Oft spiele ich auch mit geschlossenen Augen ein, um noch mehr bei der Musik zu sein. Ich überlege mir außerdem sehr genau, wie ich jeden Song angehe, welche Becken, welche Snares und welche Stimmung ich bei den einzelnen Songs verwende und welche Percussioninstrumente für die Overdups. Ich nehme dann alles mit und wir probieren zusammen im Studio aus, was am besten passt – sofern die Zeit es zulässt.

Welche Drummer*innen haben dich am meisten beeinflusst?

Am stärksten geprägt wurde ich während meiner Studienzeit durch Walter Grassmann (MUK) und Mario Lackner (mdw). Sie beeinflussen mich in unterschiedlichster Weise. Während ich mich bei Walter vorrangig auf den Jazz und Swing konzentrierte, arbeite ich mit Mario mehr in anderen Bereichen wie Pop, Funk, Hip Hop, Rock, Latin usw. Das Gute an einem Musikstudium ist der gegebene Zwang, sich mit verschiedenen Stilen auseinanderzusetzen, von denen man zuvor nur wenig Ahnung hatte. Die intensive Beschäftigung mit nur einem bestimmten Stil weckt andere Interessen, schafft neue Ideen und bringt mehr Wissen über das jeweilige Instrument. Dabei ist der „Sound“ immer zentraler Ausgangspunkt. Ob es der eigene Sound am Schlagzeug ist oder die Stimmung der einzelnen Trommeln oder aber auch der kreative Einsatz von Hilfsmitteln, wie Tücher oder Schellen - der zusätzliche Aufwand, den „optimalen“ Sound zu finden, lohnt sich aber definitiv.

Ja, der Sound spielt vermutlich eine immer größere Rolle, um etwas ganz Eigenes und Spezielles zu kreieren. Könntest du versuchen, deinen Lieblings-Drumsound zu beschreiben?

Also zurzeit stehe ich gerade voll auf tiefe Snares und Toms (wie Drummer Ash Soan) und dunkle, trockene Becken (alla Richard Spaven). Aber ich passe meinen Sound immer an die Musik an und experimentiere mit den Möglichkeiten, die mein Equipment hergibt.

Tiefe Snares haben definitiv ihren Reiz! In welchem/n Genre(s) fühlst du dich zuhause?

Die Frage ist schwer zu beantworten, da ich bis jetzt sehr viel kennen gelernt habe und es kaum einen Stil gibt, der mich nicht fasziniert. Also mit Metal und Hard Rock, auch mit Free Jazz kann ich sehr wenig anfangen, da es mich immer etwas nervös macht, obwohl ich vor den Musikern und ihrem Können sehr viel Respekt habe. Meine verschiedenen Projekte mit ihren unterschiedlichen Musikstilen und individuellen Sounds lassen meinen Job nie langweilig werden. Oft ist es sehr herausfordernd, am ersten Abend mit einer Pop-Band zu Klick, Backings und komplett durchgechecktem Programm zu spielen und danach mit dem Jazz/Latin Projekt improvisierend auf der Bühne zu stehen. Aber gerade diese Herausforderungen liebe ich.

Klingt sehr spannend und ist sicher nicht so leicht da zwischen den verschiedenen Modi zu wechseln. Was hörst du dann zurzeit privat für Musik - genauso abwechslungsreich?

So vielfältig wie meine Projekte sind, genauso gemischt sind auch meine Playlists. Mal gibt es Tage, da laufen Bands der 60er und 70er wie Dr. John, The Band, The Meters oder Steely Dan. Dann habe ich wieder Lust auf Funk und Hip-Hop von Anderson Paak, Vulfpeck und Cory Henry. Wenn ich neue Inspiration suche höre ich Richard Spaven oder Jojo Mayer's Nerve oder Chris Dave 's And The Drumhedz oder mit Robert Glasper. Nach einem langen Unterrichtstag wird meist leichte Popmusik von zum Beispiel Angus & Julia Stone aufgelegt.

Streamst du deine Musik oder legst du lieber eine gute Platte auf?

Da ich sehr viel unterwegs bin, streame ich vorrangig Musik. Obwohl ich die Konditionen für Musiker*innen auf Spotify in keinster Weise unterstütze – 0,0034€ pro Klick ist einfach ein Witz! – ist die Vielfalt an gebotener Musik leider sehr verführerisch. Früher hatte ich eine Auswahl von zehn CDs im Auto und hörte sie so lange im Kreis, bis ich sie auswendig konnte, dann wurde gewechselt. Mit den Streamingdiensten ist man oft durch das hohe Angebot überfordert. Andererseits ist es gerade als Musikerin sehr erleichternd, wenn die gesuchten Songs in wenigen Sekunden in guter Qualität zu finden sind. Ich versuche trotzdem, Kolleg*inen zu unterstützen, indem ich mir nach einem Konzert eine CD oder noch lieber eine LP besorge und mein Zuhause damit dekoriere.

Wie kamst du Prater WG?

Mit Verena spielte ich bereits zuvor in einer Popformation. Als die Prater WG gerade in einem Bandmeeting saß und beschloss, das Trio mit einem Schlagzeug rockiger werden zu lassen, platzte ich zufälligerweise in das beliebte Studentenlokal nahe der Musikuni und unterbrach ihr Meeting mit einer Begrüßung. Verenas Antwort auf mein „Hallo!“ war: „Hey, hast du Lust auf eine neue Band, wir würden jetzt dann bald eine CD aufnehmen“. Natürlich sagte ich sofort zu!

Das ging schnell! Wie sah dann die gemeinsame Studioarbeit aus? Kommen Verena oder Florian mit fertigen Songs und Vorstellungen oder arbeitet ihr gemeinsam an den Arrangements?

Das Arbeiten mit Verena kannte ich ja bereits. Sie weiß was sie will und was nicht, und das schätze ich sehr. Trotzdem bleibt immer genügend Freiraum, mich musikalisch auszudrücken und meinen persönlichen Stil in die Band einzubringen. Verena und Flo kommen mit den fertigen Songs und wir bringen sie dann zusammen in den Bandkontext. Manchmal gibt es schon eine genaue Vorstellung von einem Drum-Groove, meist probieren wir aber Verschiedenes aus, bis wir etwas gefunden haben, das für alle passt.

In welchen Projekten spielst du zur Zeit noch?

Vor kurzem haben wir mit dem Wiener Musiker pauT das Album „welTraumkaTzen“ veröffentlicht. Der psychedelische Pop-Sound bringt die Zuhörer zurück in die 1960er und -70er und mein Schlagzeug (ein Vintage Sonor Champion) wurde dabei an den typischen Beatles Sound angelehnt. Außerdem starten wir wieder mit der Band Satuo, die mir sehr am Herzen liegt, da wir zusammen schon sehr viel erlebt haben (z.B. mit einem Baby quer durch Europa touren) Unser musikalischer Stil ist sehr breit gefächert. Die Songs reichen von Folk und Jazz, über Pop, Bluegrass, Blues und Chanson. Trotz dieser Vielfalt bringt unser spezieller Satuo-Sound alle Songs unter einen Hut. Eines meiner neuesten Projekte ist die Band Monsterheart, welche durch Sängerin Anna Attar gegründet wurde. Die erste Single des neuen Albums „The New“ – welches im Jänner 2021 released wird – erreichte Platz 1 der FM4-Charts. Dieser Indie-Pop Stil bringt viel Lust, mit neuen Sounds zu experimentieren und motiviert mich, den klassischen Aufbau meines Drumsets zu überdenken.

Viele tolle Bands, aber vermutlich wenige Shows zur Zeit. Wie kommst du mit der aktuellen Corona-Lage zurecht?

Wie wahrscheinlich für alle anderen Musiker*innen auch, ist die derzeitige Konzert-Situation kaum zu ertragen. Fast alle Konzerte wurden abgesagt, ein paar wenige fanden statt. Diese Ungewissheit, ob der nächste Gig veranstaltet oder doch einen Tag davor abgesagt wird macht das Planen innerhalb der Bands sehr schwierig. Proben werden ausgemacht und wieder abgesagt, Konzerte & Touren werden nicht geplant und Album-Releases verschoben. Die Tatsache, dass kein Ende in Sicht ist, ist sehr belastend ...

Wann bist du live zu sehen?

Sollte sich die Corona-Lage nicht wieder verschlechtern, gibt es am Freitag, den 30.Oktober unser Album-Release Konzert von pauT's „welTraumkaTzen“ im Chelsea in Wien. Am 24.Oktober werde ich mit einem neuen Projekt von Pianistin Anna Maurer im Rahmen der 35-Jahr Feier des Schlachthofs in Wels gastieren und am 21. November gibt es ein „Rocktheater“ von und mit Pianist und Songwriter Harald Huber, ebenfalls im Chelsea. Hoffen wir, dass alles dabei bleibt!

Homepages:
www.facebook.com/praterwgmusic
www.pauT.aT
www.facebook.com/mnstrhrt
www.satuo.at

 

Foto 1: (c) Christoph Stiller    |     Foto 2: (c) Jonas Thiller