Michael Naphegyi

Michael Naphegyi ist ein Schlagzeuger, der sich gerne abseits der üblichen Pfade bewegt. Seine Musik befindet sich irgendwo zwischen Free-Jazz, Soul und selbstironischem Mundart Sprachgesangstheater. Diese virtuose Mischung kann man bei zahlreichen Projekten wie z.B. Teleport Collective, Rosi Spezial oder Mamma Fatale hören. Er selbst hat sich vorwiegend der musikalischen Improvisation verschrieben und betont dabei wie wichtig auch Humor in der Musik und nicht zuletzt im Leben ist. Wo seine musikalischen Ursprünge sind und was ihm bei seinem Spiel selbst am wichtigsten ist, erzählt er uns im Interview.
von Adam Zehentner

Du hast im Vorjahr dein Studium an der Anton Bruckner Universität in Linz absolviert. Auch während der Oberstufe warst du im Musikgymnasium und am Konservatorium in Feldkirch. Kannst du uns kurz deinen schulischen Werdegang zusammenfassen und warst du dir schon so früh sicher, dass du das einmal professionell machen willst?

Ehrlich gesagt, habe ich nie so viel darüber nachgedacht bzw. hat es für mich nie wirklich eine Alternative gegeben. Nicht weil ich unbedingt Musiker werden wollte, sondern weil ich auch einfach nicht wusste, was ich sonst machen soll. Ich habe auch nie den Druck verspürt, dass es in diese Richtung gehen muss. Dennoch war alles sehr musikorientiert. Nach dem Musikgymnasium habe ich den Zivildienst absolviert und bin dann gleich nach Wien gezogen, um Jazz-Schlagzeug zu studieren. Ich hätte nie gedacht, dass ich so viele schulisch-musikalische Abschlüsse mache. Ich habe jedenfalls immer versucht das Ganze als Input zu sehen und mir das rauszusuchen, was mir gefällt. Es war mir immer wichtig, dass das Studium als Unterstützung dient und mich nicht in irgendeiner Art bedrängt.

Man kann sagen du bist wohl am ehesten in der Jazz-Welt zu Hause. War es diesbezüglich auch so, dass sich das bereits früh abzeichnete oder hat sich das erst mit der Zeit ergeben?

Ich habe im Musikgymnasium mit klassischem Schlagwerk begonnen, habe dann jedoch bald gemerkt, dass mir diese Musik nicht besonders liegt. Das bedeutet allerdings nicht, dass ich klassische Musik nicht mag. Was das eigene musikalische Spiel betrifft, fühlte ich mich beim Jazz von Anfang an wohl.

Bedeutet für dich das Improvisieren im Jazz ein stückweit musikalische Freiheit, bzw. war auch das ein maßgeblicher Punkt gegenüber der Klassik wo man eher an Vorgaben gebunden ist?

Auf jeden Fall. Für mich ist Improvisation ein riesiger Punkt. Auch beim Komponieren, in den meisten meiner Projekte, ist Improvisation der Ausgangspunkt und diese führt nicht selten zu einer Komposition oder bleibt für den Moment das, was sie war. Ich spiele in vielen Projekten, in denen das der Grundstein ist und oft auch einen Großteil des gesamten Live-Sets ausmacht. Ich persönlich finde Konzerte am interessantesten, wenn ich merke, dass es eine Mischung aus Komposition und Improvisation ist, weil es ständig etwas gibt, das mich aus der Komfortzone reißt. Es ist diese konstante Spannung – man befindet sich ständig im freien Fall.

Neben dem vom Jazz geprägten Sound, den man von dir hört, kann man auch andere Einflüsse wie z.B. Hip-Hop oder Soul heraushören. Wie wichtig sind diese anderen Einflüsse für dich und was hörst du privat für Musik?

Ich höre eigentlich alles Mögliche. Das ändert sich von Woche zu Woche, könnte man sagen. Letztens habe ich sehr viel Holger Czukay gehört. Der ist sehr experimentell unterwegs und schafft beispielsweise eine Mischung aus psychodelischem Krautrock mit elektronischen Einflüssen. Was ich generell höre, kann ich gar nicht sagen, da es so viele verschiedene Künstler*innen sind. Das reicht von Eric Dolphy über Tame Impala und im nächsten Moment wieder Eli Keszler oder Zappa. Es gibt einfach unendlich viel gute Musik.

Lässt du diese Einflüsse abseits des Jazz bewusst in deine Musik einfließen oder passiert das einfach?

Ich glaube, es ist eine Mischung aus beidem. Um konkret ein Beispiel zu nennen, ich habe in der Zeit in der wir die letzte Rosi Spezial Platte, „Alles isch Alles“, aufgenommen haben, sehr viel Werner Pirchner gehört und ich finde, man kann das teilweise raus hören. Das wäre wohl ein Beispiel für eine direkte Beeinflussung in dem Sinne, dass man so etwas auch in die eigene Musik einbaut. Natürlich will man es nicht kopieren, sondern Elemente daraus in das eigene Schaffen bringen. Darum finde ich es auch so wichtig, Musik aus allen möglichen Genres zu hören.

Bei Rosi Spezial, einem der Projekte, bei denen du dabei bist, spielt Humor und eine ordentliche Portion Selbstironie eine große Rolle. Ist dieses Projekt als Spaßprojekt entstanden?

Rosi Spezial ist total aus einem Spaßprojekt entstanden. Da war wirklich null Ambition dahinter. Ganz am Anfang hatten wir noch eine Rockband in Vorarlberg, die schon eher am Auslaufen war. Der Bassist, Michi Blassnig, und ich haben damals nach den Proben immer gejamt. Irgendwann haben wir begonnen vorarlbergerische Klischees textlich in unsere Impros einzubauen. Daraus entstanden die ersten Ideen wie „Selberbrennter Schnaps“ oder „Am Sunntig blibsch nüchtern“. Kurz darauf nahmen wir die ersten fünf Songs auf und die erste EP „Am Sunntig blibsch nüchtern!“ wurde veröffentlicht. Ohne irgendeinem Konzept oder Hintergedanken. Michi hat es dann spaßhalber auch an FM4 geschickt. Die Resonanz auf diese Single war verhältnismäßig groß, also stellten wir eine Band zusammen und gaben unter dem Bandnamen Rosi Spezial erste Konzerte und es folgte die zweite EP „A Saftiges Fax“. Nachdem wir durch ein Stipendium die Möglichkeit bekamen, einen Monat in Italien aufzunehmen, entstand unser erstes Album „Alles Isch Alles“. Mit dem Album ist auch die Attitude ein wenig ernster geworden. Es war uns wichtig, dass Rosi Spezial nicht nur als Saufmukke gesehen wird. Für mich ist es im Grunde immer noch ein Spaßprojekt, das aber einen sehr hohen Stellenwert einnimmt, da ich mich künstlerisch entfalten kann. Da gibt es keine Grenzen und genau das taugt mir. Auch hier ist wieder ein riesiger Teil die Improvisation, teilweise kommt es mir sogar wie ein schräges Theaterstück vor. Das funktioniert mit dem Vorarlbergerischen sehr gut, da es so lautmalerisch ist. Unser Ziel ist es (Mundart) Lieder zu machen, die so klingen, wie man die Sprache im alltäglichen Gebrauch spricht. Fazit: Rosi Spezial ist im Kern ein Spaßprojekt, das durchaus ernstzunehmende musikalische Züge hat.

Wie sehr fließt dein Humor abseits von Rosi Spezial in andere Projekte ein?

Sehr. Es hat schon vor Rosi Spezial bei Teleport Collective (ehemals Killah Tofu) eine große Rolle gespielt. Wir haben live oft schräge Witze oder Geschichten erzählt, die keinen Sinn ergaben. Als wir in Osteuropa spielten, erzählten wir die dann auf Englisch und so ergaben sie noch weniger Sinn. Das war großartig. Für mich ist Humor sehr wichtig, sowohl in der Musik, als auch im Leben.

Neben Rosi Spezial und Teleport Collective (ehemals Killah Tofu) bist du noch bei Mamma Fatale und Frin zu hören. Kannst du uns zu diesen zwei Projekten etwas erzählen?

Mamma Fatale wurde vor ca. zwei Jahren gegründet. Ursprünglich war ein einmaliges Konzert im Zuge der Summer-Jazznights 2019 der Bruckneruni Linz geplant. Die Stimmung und die Resonanz dieser Show war jedoch so überwältigend, dass wir uns entschlossen weiterzumachen. Nach Live-Auftritten u.a. im Porgy & Bess und einem Musikvideo steht das Debütalbum in den Startlöchern. Man kann also gespannt sein. Was Frin betrifft ist es so, dass wir eine EP aufgenommen haben, die dann recht lange unberührt herumlag. Wir haben uns letztes Jahr schließlich doch noch zusammengerafft und die Produktion zu Ende gebracht. Zum Glück, wir sind sehr zufrieden damit.

Wenn man dich am Schlagzeug spielen sieht, merkt man schnell, dass du probierst möglichst viele verschiedene Sounds aus jedem Teil rauszuholen. Wie gehst du das an und spielt das Equipment dabei eine Rolle?

Was mein Zugang zum Instrument betrifft, merke ich immer mehr, dass ich mich nicht wirklich als Schlagzeuger sehe. Ich war auch nie so begeistert von einem übertrieben technischen Ansatz. Das wirkte für mich eher wie ein Sport. Es ist sehr beachtlich, wenn jemand technisch beeindruckende Leistungen erbringt, es berührt mich musikalisch aber nicht wirklich. Für mich ist viel interessanter zu sehen, wenn es jemand schafft kreativ was zu erzeugen, das musikalisch so sprüht, dass es mich einfach mitnimmt. Genau das versuche ich umzusetzen. Das Schlagzeug ist für mich einfach das Instrument, bei dem ich am besten meine musikalischen Ideen umsetzten kann. Mir gefällt, dass es da so viele Tüfteleien gibt. Man kann sich es zusammenstellen wie man will, was bei einem Klavier oder bei einer Gitarre schwieriger ist. Ich kann Sachen adaptieren, umdrehen, übereinanderstapeln usw. Es gibt einfach endlose Möglichkeiten am Schlagzeug. Was Equipment betrifft, glaube ich, dass es wichtig ist, von sich selbst aus bereits so einen guten Sound mitzubringen, dass man nicht abhängig vom Equipment ist. Es gibt Drummer, die einen genialen Sound haben und das obwohl sie gerade auf einer Blechschüssel spielen. Vom Equipment unabhängig zu sein ist das Ziel, das ich vor den Augen habe. Natürlich will man trotzdem die feinsten Becken usw. (lacht).

Beim Video, das du für uns in der Beatboxx aufgenommen hast, spielen Samples eine große Rolle. Es wirkt fast wie ein Live-Konzept. Hast du jemals überlegt ein One-Man-Soloprojekt zu starten?

Die Performance ist sehr beeinflusst von Deantoni Parks. Auch Lukas König beeinflusst mich in diese Richtung sehr. Die Idee ist schon mal aufgekommen, jedoch muss ich mich noch viel mehr mit einem Solo-Konzept auseinandersetzen. Das muss noch etwas reifen. Die Session in der Beatboxx war einfach mal eine Improvisation in diese Richtung, da ich sehr gerne mit Sprach-Samples arbeite. Ich habe hierfür verschiedene Interviews zusammengeschnippelt, die für mich harmoniert haben. Ansonsten habe ich mir im Vorhinein wenig überlegt, da ich mich diesem Druck aussetzen wollte, dass jemand  die Aufnahme startet und ich abliefern muss. Das bringt natürlich ein Risiko mit sich und das wollte ich auch so, da ich einfach etwas Eigenes kreieren wollte.

Was wünschst du dir für das Jahr 2021 bzw. was ist geplant, insofern man planen kann?

Das Jahr wird für mich besonders spannend, da ich mit meinem Soloprojekt „Tape Moon“ mein Debütalbum veröffentlichen werde. Das Ganze hat direkt nach dem Studium letztes Jahr begonnen. Ich habe mir mein Studio eingerichtet und bin seit dem in meinem Zimmer am Recorden und Produzieren. Musikalisch geht es in eine Richtung, die ich so noch nie gemacht habe: experimenteller, melodischer Psych-LoFi-Pop. Oder so. Ich experimentiere dabei auch viel mit Geräuschen. Es befindet sich jetzt gerade im finalen Mix und die erste Single ist im Frühling geplant. Mit Rosi Spezial wäre im April eigentlich eine Tour geplant, wobei diese vermutlich in den Sommer verschoben wird.

Fotos:

Titelbild – © Natali Glisic

Bild 1 – © Jeremy Mathis

Bild 2 (Sidebar) – © Sara Hörburger