Backstage. Abseits des Rampenlichts – mit Gabriel Hyden

Im ersten Teil der Kolumne hat uns der Musiker, Fotograf und Filmemacher Gabriel Hyden von seiner Liebe für das natürliche Licht am Set berichtet, einen Einblick in sein bisheriges Schaffen gegeben und erzählt, dass er gute Songs am liebsten Straßenbahn fahrend und ohne Musikvideo konsumiert. Diesmal erfahren wir etwas über seinen Hang zum Zuschauen, zur klassischen Filmarbeit und warum der konventionelle Performance-Clip heute nicht mehr zwingend notwendig ist. Außerdem erzählt er uns von seinen anstehenden Plänen, die aufgrund der aktuellen Lage hoffentlich trotzdem stattfinden werden, und gibt jungen Künstler_innen hilfreiche Tipps mit auf den Weg.
Von Patrick Tilg

Wenn Diedrich Diederichsen in Über Pop-Musik (2014) schreibt, dass es dabei um ein aufeinander verweisen von Bildern und Beats geht (S. 73), meint er damit – neben Plattencover, Pressefoto und Liveauftritt – vor allem auch das Musikvideo. Er schreibt sogar davon, dass die Musik nur eine Begleiterscheinung des Gesamtkunstwerks sei. Das Musikvideo ist also ein untrennbarer Bestandteil von Pop-Songs (im weitesten Sinne). Doch was sollte so ein Musikclip haben, um die nötige Aufmerksamkeit zu erzielen?

Für Gabriel ist klar, dass ein Musikvideo niemanden eine Rechenschaft schuldig ist und es deshalb auch keine speziellen Vorgaben zu erfüllen hat. „Es muss nichts kann aber alles – die Freiheit einer jeden Kunstform.“ Das würde auch erklären, warum es trotz der recht einseitigen Bildsprache der Mainstream-Musikvideos, eine recht große Diversität bei anderen Genres gibt. Vom reinen Performance-Clip der Band bis zum Kunstfilm-Projekt.

Allerdings seien die klassischen Performance-Videos nicht mehr so notwendig wie zu Beginn der Musikvideo-Ära, da sich die Bands selbst auf den Social Media Kanälen mit Band-Fotos und kürzeren Porträt-Clips präsentieren können. So bleibe dann auch mehr Freiraum im Musikvideo. „Es ist alles erlaubt, man könnte einen Besenstiel als Gitarre verwenden.“

Oft geben Musikvideos dem Song eine ganz andere, neue Bedeutung, wodurch die Hörer in eine bestimmte Denkrichtung gelockt werden. Gerade, wenn der Song selbst viel Interpretationsraum lässt oder wenn er ganz anders wirkt als das dazugehörige Video. „Das finde ich gar nicht weiter schlimm. Ich find‘s sogar gut, wenn das nicht zusammenpasst. Wir wären da wieder bei dem Thema Straßenbahn. [lest in Teil 1, was  es mit der Straßenbahn auf sich hat] Die Situationen, die du da beobachtest während du ein Lied hörst passen meistens auch nicht zum Lied aber es wird dann oft so wunderbar unterstrichen. Das Leben zieht vorbei und eine bestimmte Melancholie kommt auf. Man kann es nicht ändern was da draußen passiert, aber man darf Teil davon sein. Dieser Voyeurismus gefällt mir.“

Gabriel spielt gerne mit gängigen Filmsujets und Montagetechniken, denn er ist ein großer Fan der klassischen Filmarbeit. Die Videokunst sei ihm zu technisch und es fehle ihm dafür an Geduld. Solche Arbeiten seinen toll anzusehen, aber er findet, dass es ein gänzlich anderes Genre ist, als das Musikvideo.

Dies führte uns wiederum zu der Frage, ob ein Musikvideo auch ohne die Musik funktionieren kann und soll. Oder ob es nur in Kombination mit der Musik verständlich sein muss. „Alles kann, nichts muss. Ich hatte letztens die Gelegenheit spontan eine eigene Erzählung zu „verfilmen“ und grundsätzlich macht mir der Ansatz einen Kurzfilm in Trailerform auf ein Musikvideo zu übertragen schon sehr viel Freude. Ich lasse dann die Szenen auch durchspielen, 1–2 Minuten.“ Dabei entstehen dann die schönsten Momente für ihn und auch die Schauspieler haben ihre Freude dabei. Viel Freude und spontane Momente sind sicher auch entstanden, weil er bis vor 3 Jahren keinen Führerschein hatte und die meisten Videos von einem Mofa aus produzieren musste.

DIY Musikvideos findet er in Anbetracht der technischen Neuerungen nur gut und legitim. „Vielleicht entdeckt jemand eine wahre Leidenschaft dahinter und es entstehen tolle Sachen. Wie mit allen Künsten sollte alles ausprobiert werden. Ich bin sicher der Letzte, der mit erhobenem Finger dasteht und sich über miese Qualität oder verlorenes Geschäft beklagt.“ Aber der sowohl Musiker als auch Filmemacher rät trotzdem, sich auch mal von seinem eigenen Werk zu distanzieren und andere Leute daran arbeiten zu lassen. Zum einen, um sich nicht selbst von den eigenen Songs abzuhören und zum anderen sei es für die Zuseher in Zeiten der Messagecontrol angenehm auch mal andere Interpretationen zu sehen.

Wenn er sich immer aussuchen könnte, mit wem er zusammenarbeitet, dann wären es vor allem Künstler_innen die etwas Verschrobenes haben. „Ich glaube Weyes Blood oder Aldous Harding wären toll. Und würde er noch leben, dann würde ich gerne mit Miles Davis »Kind of Blue« verfilmen. Jazz ist so wunderbar cineastisch, ich liebe es. Man müsste nicht diese ewiggleichen Schnitte anbringen. Vielleicht einfach aus der Straßenbahn filmen.“

Derzeit arbeitet Gabriel gerade mit den Elektro-Poppern von Mynth an einem neuen Video, das Lied soll großartig sein. Außerdem würde er sich gerne einem Spielfilm widmen und wieder mehr mit seiner Band Vague arbeiten. Und um auch den zweiten Teil er Kolumne mit der Fotografie zu beenden: es soll bald eine Fotoausstellung geben. Man darf also gespannt sein!

 

 

 

Tipps für junge Künstler_innen von Gabriel Hyden:

– Schaut Filme, dort passiert oft so Großartiges. Nehmt eine Szene, schreibt sie um, führt sie ad absurdum.

– Wenn ihr es nicht schon tut, fangt an selbst Musik zu machen. Gefühl für Komposition und Rhythmik schadet nie.

– Fotografiert, fotografiert, fotografiert.

– Lernt alles, was es im Film zu lernen gibt. Es wird nie ein großes Team geben, dass dir alle Arbeiten abnimmt. Lernt die Kamera zu führen, lernt dich in deinen Regieanweisungen durchzusetzen, lernt Continuity, lernt Licht zu sehen, wo es ist, schaut euch Locations an … macht euch einen Plan.

 

Foto: (c) Tim Cavadini