Mamma Fatale – Margit Gruber und Michael Naphegyi im Interview

Die Band Mamma Fatale tanzt mit ihrer Musik lieber an stilistischen Grenzen vorbei, als sich von diesen einschränken zu lassen. Das siebenköpfige Projekt präsentiert nun am kommenden Wochenende ihr erstes Album. Wir haben uns mit Margit Gruber und Michael Naphegyi getroffen und über die Gründung von Mamma Fatale, Songwriting in einer Band mit sieben Komponist*innen und Humor in der Musik gesprochen.
von Maximilian Zeller

 

Mamma Fatale


Wie seid ihr zu eurem Bandnamen gekommen? Ich dachte zunächst an das Wort »Femme fatale« aus dem Französischen, mit dem gesprochenen »e« am Ende eures Namens wäre es aber eher italienisch.

Margit: Bei der Namensgebung waren vor allem Vicy [Pfeil, Saxophon und Komposition] und ich beteiligt. Wir sind im Buffet-Bereich an der Bruckner Uni in Linz gesessen und brauchten noch einen Namen für das Projekt. Gizem [Kus, Gesang & Komposition] nervte es ziemlich, dass sie in vielen ihrer Projekte als „Band-Mama“ angesehen und auch so genannt wurde. Im Prinzip sollte sich ja nicht nur eine Person um die Band kümmern, sondern eigentlich alle. Deswegen wollten wir unbedingt das Wort „Mama“ im Namen haben. Und mit zwei „m“ in der Mitte schaut es natürlich einfach cooler aus. Danach haben wir am Papier ein wenig herumprobiert und sind so noch auf „fatale“ gekommen, ohne dabei eine konkrete Sprache im Hinterkopf zu haben. Für uns ist das aber auch gar nicht so wichtig, in welcher konkreten Sprache der Name ist.

Ihr habt alle an der Bruckner Uni in Linz studiert. Wirkt sich dieser gemeinsame Studienort auch auf die gemeinsame Band aus?

Michael: Ich denke schon. Insofern, als dass die Bruckner Uni generell sehr viel Raum für Individualität schafft und frei lässt. Dieser Zugang prägt einen während des Studiums schon sehr. Also dass man sich beispielsweise raus nimmt, was man braucht oder dass man nicht irgendwo reingepresst wird, sondern eher sein eigenes Ding entfalten kann.

Margit: Aber auch die dort vermittelte Einstellung, wie an Musik herangegangen werden kann, beeinflusste die Band bestimmt in einer gewissen Art und Weise.

Wie habt ihr dann zu siebt als Band zusammen gefunden?

Margit: Die Jazz-Abteilung an der Bruckner Uni veranstaltet jedes Jahr die „Summer Jazz Nites“ – eine Konzertreihe, die an verschiedenen Locations in ganz Linz stattfindet. An einem dieser Abende spielten einige super Bands in der Stadtwerkstatt. Wir haben gemerkt, dass auf der Bühne nur Männer stehen, während die erste Reihe des tanzenden Publikums fast ausschließlich aus wirklich guten Musikerinnen bestand. Also haben wir beschlossen: Nächstes Jahr machen wir es umgekehrt! Ursprünglich wollten wir dann auch nur diesen einen Gig in der Stadtwerkstatt spielen. Aber bereits bei den Probearbeiten merkten wir, dass wir in dieser Konstellation irrsinnig gut funktionieren und beim Konzert war dann zusätzlich noch eine so unglaubliche Stimmung, dass wir eigentlich weiter machen mussten.

Bei Mamma Fatale komponiert jedes Bandmitglied für das Projekt. Wie geht ihr dabei an den Kompositionsprozess heran?

Michael: Anfänglich hat jede Person eine Komposition für den ersten Gig beigesteuert. Das hat sich zunächst gut bewährt, sodass immer jeweils ein Bandmitglied ein eigenes Stück zu den Proben mitgebracht hat.

Margit: So hat es eben angefangen, das wird sich aber vermutlich anders weiterentwickeln. Derzeit ist es so, dass wir neue Ideen daheim aufnehmen und dann an die Band weiterschicken. Da kann sich jede*r vorab selbst Gedanken dazu machen und beim Proben wird dann mit der Idee gejammt. So entstehen neue Impulse. Es ist deshalb nicht mehr so, dass die eine Nummer von der einen Person ist, die dann auch das letzte Wort bei musikalischen Entscheidungen hat, sondern sich alles eher aus einem gemeinsamen Kontext heraus entwickelt.

Michael: Das liegt sicher auch daran, dass wir mehr proben und uns dadurch mehr Zeit und Raum für ein gemeinsames Komponieren nehmen können.

Wie detailliert geht ihr dabei beim Komponieren vor? Also sind die einzelnen Parts, die ihr einbringt, zum größten Teil auskomponiert oder lasst ihr da auch Freiraum für Spontanes und Improvisiertes?

Michael: Das hängt von der jeweiligen Nummer ab, aber Raum für Improvisation gibt es prinzipiell viel.

Margit: Wir haben aber keine fünf Minuten Soli auf der Platte – das passiert eher im Live-Kontext.

Michael: Es gibt meist zu jedem Stück ein zugrunde liegendes Arrangement, innerhalb dessen durchaus eine Improvisation stattfindet – auch auf den Aufnahmen, aber Live natürlich vermehrt.

Die Genre-Beschreibung eures Pressetexts „Avantgarde-Pop/Jazz“ finde ich ziemlich gut gewählt, da er die doch recht diverse Klangwelt eurer einzelnen Songs ganz gut umreißt. Wird dieser Stilpluralismus bewusst von euch im Kompositionsprozess angestrebt oder ergibt sich das eher von selbst durch die individuellen Einflüsse und die jeweiligen Kompositionen der Bandmitglieder?

Michael: Stilpluralismus trifft es bei uns glaube ich ganz gut, weil in der Band sieben Leute aufeinander treffen, die doch alle einen anderen Background haben und aus unterschiedlichen musikalischen Ecken kommen. Da ergibt sich automatisch auch ein stilistisches Gemenge.

Margit: Ich finde auch, dass das eher instinktiv passiert. Und irgendeine Genrebezeichnung braucht man einfach – gerade für Pressetexte. Die Beschreibung hängt aber gewissermaßen auch mit den Hörgewohnheiten der Zuhörenden zusammen: Für jemanden, der*die viel Jazz oder freie Improvisation hört, klingt unsere Musik wahrscheinlich ziemlich poppig. Umgekehrt klingt sie für jemanden, der*die fast ausschließlich Pop hört, vermutlich relativ schräg.


Du bist bei Mamma Fatale neben Gesang und Rap vor allem für die Electronics bzw. das SP-404 verantwortlich. Kann sowas bei euch – gerade was euren pluralistischen Ansatz betrifft – auch ein Problem werden? Also wenn beispielsweise jemand eine eher klassische Jazzkomposition mitbringt und du dann etwas mit deinem Sampler darüber legst.

Margit: Prinzipiell sind alle sehr offen für Ideen und Vorschläge der anderen. Ich würde aber vermutlich, wenn es eine eher klassische Jazznummer ist, gar nicht zum Sampler greifen. Diese unterschiedlichen Rollen nehme ich in der Band ja nicht ein, um möglichst viele Instrumente spielen zu können, sondern weil ich mich manchmal mit einem Mittel besser ausdrücken kann, als mit einem anderen. Bei »Take a Linzl« beispielsweise war für mich von Anfang an klar, dass ich nichts mit dem Sampler machen werde. Einfach weil der Vibe dafür überhaupt nicht passt. Der Rap-Part bei »Cut off my Head« ist im Gegensatz so entstanden, dass Daniela [Gschirtz, Gesang und Komposition] und ich mal gemeinsam an der Nummer gearbeitet haben. Ich bin draufgekommen, dass ich einen passenden Raptext irgendwo in meinen Notizbüchern habe und somit haben wir dann einfach den Rap-Part hinzugefügt. Meistens kommen also diese Entscheidungen sehr natürlich und von alleine.

Hannes Schweiger [Porgy & Bess] beschreibt eure Musik als „Jazzfloor für intelligente Tanzschritte“. Ist Tanzbarkeit etwas, auf das ihr beim Komponieren besonderen Wert legt – gerade bei den ja auch durchaus vorkommenden rhythmisch komplexeren Teilen?

Michael: Also ich persönlich denke an sowas nicht – das entsteht oft eher aus einer kollektiven Energie heraus. Auch wenn es eine ruhigere Nummer ist, gibts trotzdem meistens einen Part, in dem es abgeht. Das hat sich bei Mamma Fatale schon auch ein wenig etabliert. Die Nummer „Das die dicken Dritten Thema“ ist beispielsweise im 7/8-Takt, man kann aber trotzdem gut dazu shaken. Dieser Vibe funktioniert mit der Band einfach ganz gut und das ergibt sich auch meist von selbst.


Wie läuft das dann mit den Texten bei euch ab? Nachdem auf dem Album zum Teil in drei verschiedenen Sprachen gesungen wird, nehme ich an, dass die Texte – zumindest teilweise – von der*dem jeweiligen Komponist*in stammen.

Margit: Ja genau, generell kommen die Texte von der*dem Komponist*in. Es gibt aber auch Ausnahmen, zum Beispiel der Song »Draggin’«. Sarah [Brait, Bass und Komposition], von der die Komposition stammt, wollte noch einen Gesangs-Part dabei haben. Daniela und Gizem haben sich dann hingesetzt und dafür gemeinsam noch einen Text geschrieben. Meine Rap-Parts schreibe ich aber alle selbst – alles andere würde sich komisch für mich anfühlen.

Du warst letzten März unser »Drummer des Monats« (Michael Naphegyi – Drummer des Monats) und hast dabei im Interview ein wenig über Humor in der Musik gesprochen. Auch bei Mamma Fatale findet man einige ironische Textstellen und witzige Einwürfe. Wie wichtig ist Humor für euch in dieser Band?

Michael: Ich finde Humor grundsätzlich sehr wichtig, im Leben genauso wie in der Musik – es ist ja auch eine Art Überlebensstrategie. Und besonders das Herangehen an gesellschaftskritische Themen ist aus einer starren Position heraus oftmals schwieriger als aus einer ironischen. Vor allem in einem musikalischen Kontext braucht es manchmal eine gewisse Leichtigkeit. Niemand will einen Text hören, bei dem es nur heißt: „Das ist schlimm, das ist schlecht“.

Margit Wir haben ja auch nicht die eine Lösung. Außerdem nehmen wir uns selbst nicht allzu ernst, wodurch automatisch eine gewisse Ironie mit ins Spiel kommt.

Ich habe mir das besonders bei der Nummer »Cut off my head« gedacht, wenn der letzte Rap-Teil in das Outro übergeht.

Michael: Genau, das ist ein perfektes Beispiel dafür. Da wird total die Sichtweise umgedreht, aber auf eine schön ironische Art und Weise. So macht das Spaß, hat aber trotzdem eine richtig gute Message.

Vor kurzem seid Ihr Preisträger*innen des renommierten Hubert von Goisern-Kulturpreises geworden. Wisst ihr schon, was ihr mit eurem Preisgeld anstellen werdet?

Margit: Da wir die Pressung unseres Albums über eine Crowdfunding-Kampagne finanziert haben, sind die Kosten dafür schon ziemlich gut abgedeckt. Aber wir haben natürlich schon einige neue Ideen und sind auch bereits am Pläneschmieden für zukünftige Mamma Fatale-Projekte.

Vielen Dank für das Gespräch!

 


Titelfoto: Inés Futterknecht

Kommende Termine:
25.6. – Stadtwerkstatt Linz
26.6. – Porgy & Bess Wien
18.7. – tba Wien