Chris Pruckner

Von Punk über Jazz bis zu Schlager und Rap: Chris Pruckner ist ein stilpluralistischer Schlagzeuger, wie er im Bilderbuch steht. Als „Drummer des Monats“ erzählt er uns im Interview über seinen Werdegang, Unterschiede und Gemeinsamkeiten seiner verschiedenen Projekte und warum ihm bei einem Konzert schonmal ein Becken an den Kopf flog. Außerdem hat er für uns eine kurze Session in der Beatboxx eingespielt.
von Maximilian Zeller

Wann hast du begonnen, Schlagzeug zu spielen und warum bist du gerade bei diesem Instrument gelandet?
Zuerst war ich einige Zeit in der musikalischen Früherziehung. Dort stand in unserem Unterrichtsraum in der Musikschule immer ein Schlagzeug und das war für mich damals schon das Coolste. Deshalb habe ich dann bereits mit sieben Jahren zu spielen begonnen und Unterricht genommen.

Wie war dein anschließender Ausbildungsweg?
Nachdem ich in der Musikschule mit sieben begonnen hatte, blieb ich dort eigentlich so lange es ging, also bis zu meiner Zivildienstzeit. Danach studierte ich Konzertfach und IGP am Jam Music Lab in Wien, wobei ich mich noch während meines letzten Jahres dort gleichzeitig am Konservatorium (heute MUK) einschrieb. Da studierte ich dann noch einige Jahre Jazz-Schlagzeug bei Walter Grassmann, einen weiteren Abschluss habe ich dort aber nicht mehr gemacht.

Bei welchen Projekten bist du derzeit beteiligt?
Eines meiner Hauptprojekte ist die Band Franz Fuexe. Aber auch bei Kontrapunk passiert gerade recht viel. Das ist ein Trio mit der Besetzung Schlagzeug, Gitarre und Kontrabass bzw. zum Teil sogar mit zwei Kontrabässen. Vor kurzem ist das Album »A Motion Picture« erschienen, mit dem wir jetzt einige Konzerte spielen werden. Dann bin ich noch in der Live-Band bei dem Schlager-Projekt von Mandl Schorsch und spiele in einem Trio mit der Rapperin margit.


Bei all diesen Projekten ist eine ziemlich große musikalische Bandbreite erkennbar. War dir so eine Stilpluralistik immer schon ein Anliegen oder hat sich das eher im Laufe der Zeit ergeben?
Es war eigentlich nie so, dass mir nur eine Sache wirklich Spaß gemacht hat. Außer vielleicht mit 15 Jahren, als ich nur Metal spielen wollte. Aber selbst da war ich nie so extrem auf eine Sache fixiert. Wir hatten damals sogar eine Metal-Band, in der wir das Metal-Band-Dasein ziemlich parodiert haben. Wenn man sich generell mit viel Musik beschäftigt, spielt man irgendwann automatisch die verschiedensten Sachen. Das war mir später dann natürlich schon wichtig, dass mein eigenes Spielen nicht nur starr in eine Richtung geht. Und selbst wenn man nur eine der vorher genannten Bands betrachtet, geht es ja innerhalb eines Projekts auch nie nur um eine Stilistik. Bei Franz Fuexe beispielsweise gehts eben nicht nur um D-Beat-Punk.

Aber gibt es trotzdem irgendein Genre, in dem du dich am wohlsten fühlst bzw. wo dir das Spielen am meisten Spaß macht?
Tendenziell mag ich Sachen sehr gerne, bei denen viel improvisiert wird. Aber so genau kann ich das gar nicht sagen, das wechselt für mich immer ein wenig. Also mir macht eine Franz Fuexe-Show, bei der die meisten Parts ziemlich festgelegt sind, sicher genauso Spaß, wie ein Kontrapunk-Set, wo man ständig das Gefühl hat, man kann alles mögliche spielen. Vielleicht ist es eher so, dass ich am meisten Spaß habe, wenn ich beim Spielen nicht extrem viel nachdenken muss oder zu verkopft bin. Man muss sich natürlich schon immer konzentrieren, aber eher auf die Musik selbst und nicht zu sehr auf das Material bzw. die Noten.

Wie ist das für dich mit dem Energie-Level bei den unterschiedlichen Projekten? Also beispielsweise im Vergleich zwischen einer intensiven Live-Show mit Franz Fuexe und einem Kontrapunk-Konzert, bei dem das Spielen vielleicht nicht ganz so kräftezehrend ist, aber der Improvisationscharakter mehr Konzentration erfordert.
Das ist eine schwierige Frage. Die Fuexe-Konzerte sind natürlich körperlich enorm anstrengend. Da kann ich vermutlich keine Show spielen, die Länger als eine Stunde dauert. Aber abgesehen vom Körperlichen gibt es glaube ich zwischen diesen beiden Beispielen keinen so großen Unterschied, was das Energie-Level betrifft. Eine Kommerz-Band, bei der ein Konzert drei Stunden dauert und man nur Pop-Songs covert, kann da vergleichsweise viel anstrengender sein – auch wenn das körperlich gar nicht so fordernd ist. Das betrifft aber nicht nur die Konzerte selbst, sondern auch die Probenarbeit. Die Kontrapunk-Proben waren beispielsweise vor allem zu Beginn sehr anstrengend. Irgendwann haben wir uns aber so aufeinander eingespielt, dass alles sehr organisch funktionierte. Das sind dann natürlich ganz andere Proben, als wenn man nur bereits bestehende Pop-Songs einstudiert.

Wie war das für euch dann mit Kontrapunk im Studio, wenn die Stücke so organisch und improvisatorisch funktionieren?
Das war ziemlich cool! Wir waren zu dritt in einem Raum und haben alles, bis auf einige wenige Overdubs, live eingespielt. Das Album wurde bei Chris Janka vollanalog auf Tonband aufgenommen, das heißt wir hatten nur eine begrenzte Zeit, die wir Aufnehmen konnten. Zunächst haben wir beschlossen, dass wir jedes Stück zwei oder drei mal spielen und dann den besten Take auswählen. Nach ein paar Tagen haben wir den Plan aber wieder verworfen und kamen stattdessen auf die Idee, das ganze Album ohne Pause auf einmal einzuspielen. Das haben wir einmal so gemacht und von diesem einen langen Take haben wir fast alles fürs Album verwendet.


Mittlerweile bist du selbst als Lehrer tätig und unterrichtest junge Schlagzeuger*innen. Wie hat sich das für dich ergeben?
Das entwickelte sich eigentlich nach und nach und wurde stetig mehr. Ich gab bereits vor Abschluss meines IGP-Studiums einige Privatstunden. Danach kam ich an eine Musikschule in Baden, bei der ich anfangs nur ein paar Schüler*innen hatte. Mittlerweile unterrichte ich dort ein bis zwei Nachmittage in der Woche und gebe zudem auch einige Stunden in Säusenstein (in Niederösterreich) an einer weiteren Musikschule.

Gibt es Schlagzeuger*innen oder andere musikalische Vorbilder, die dein eigenes Spiel geprägt haben?
Das waren über die Jahre hinweg mittlerweile einige. Der erste Schlagzeuger, von dem ich wollte, dass ich so klinge, war Nicko McBrain von Iron Maiden. Der war lange Zeit mein großer Held und beeinflusste vor allem den Snare-Sound der Franz Fuexe. Später waren es dann Joey Baron, Kenny Wollesen oder Brian Blade.

Welche Rolle spielt Humor in der Musik für dich?
Humor spielt in der Musik eine große Rolle. Eigentlich auch bei allen Projekten, bei denen ich beteiligt bin. Selbst wenn etwas noch so ernst scheint – wenn gar kein Humor dabei ist, fehlt für mich meistens irgendwas. Man kann sich ja auch selbst nicht zu ernst nehmen, gerade was das eigene Spielen betrifft. Natürlich ist Musik machen an sich ist schon ernst zu nehmen, aber Humor kann ja genauso ernst genommen werden. Auch beim Zuhören ist das ein wichtiger Faktor denke ich. Also wenn man beispielsweise merkt, dass Musiker*innen nicht ganz todernst auf der Bühne stehen und einfach Spaß am Spielen haben, macht einem das beim Hören und Zusehen auch mehr Freude. Und ein bisschen lächerlich sein ist manchmal auch was Schönes.

Die Shows mit der Band Franz Fuexe sind immer ziemlich intensiv und energiegeladen. Gibts irgendeine Lieblingsanekdote von einem der Konzerte?
Die besten Sachen bekomme ich oft gar nicht mit. Luca [Sänger der Band] rennt ja mit dem Mikrofon gerne ins Publikum und ich sehe ihn dann oft einfach nicht mehr. Aber es gab ein Konzert, das kurz vor dem ersten Lockdown stattfand. Wir hatten zu der Zeit als Outro einen Techno-Remix von einem unserer Songs abgespielt und da kam immer gefühlt das ganze Publikum auf die Bühne. Bei dem einen Konzert waren die Leute aber so schnell heroben, dass wir mit dem Platzmachen nicht zurechtgekommen sind. Natürlich drängten dann alle weiter nach hinten und hauten das Schlagzeug um. Dabei ist mir eines meiner Crash-Becken direkt an den Kopf geflogen. Ich hab ziemlich viel geblutet, aber es musste zum Glück nicht genäht werden – und das Becken wurde auch nicht kaputt.

Bei der Video-Session in der Beatboxx hast du einen Groove einer Kontrapunk-Nummer gespielt. Warum hast du gerade dieses Stück gewählt?
Die Nummer ist an sich recht schnell, aber wenn wir sie live spielen habe ich trotzdem immer das Gefühl, ich kann machen was ich will, ohne das etwas schief geht. Im Bandkontext funktioniert das Stück auch immer sehr intuitiv und wir können dabei viel gemeinsam variieren. Sie bietet sich beispielsweise gut für dynamische Wechsel an – man kann gut von ganz leise bis ganz laut gehen.


Du bist ja auch vor einiger Zeit Vater geworden. Wie verbindest du deine Familie mit dem Leben als Musiker?
Bisher geht sich alles überraschend gut aus. Ich würde es mir mit einem Nine to Five-Bürojob ehrlich gesagt viel schwieriger vorstellen. So habe ich tagsüber mehr Zeit für die Familie. Natürlich ist es ein wenig schwierig, wenn man um ein Uhr nachts von einem Gig nachhause kommt und dann die Nacht auch nicht so ruhig ist. Aber gerade das kam in den letzten eineinhalb Jahren wegen Corona gar nicht so häufig vor. Das wird noch spannend, wenn sich die Situation wieder halbwegs normalisiert – besonders was das Tour-Spielen betrifft. Das hatte ich bisher nämlich nicht, steht aber in nächster Zeit wieder an.

Welche Musik hörst du gerade aktuell?
Das neue Album »Hope« von Marc Ribot’s Ceramic Dog hör ich derzeit sehr viel. Aber auch Sleafood Mods und alle möglichen Projekte rund um John Zorn.

Welches Instrument würdest du spielen, wenn du nicht Schlagzeuger geworden wärst?
Ich hatte in meiner Jugend einige Zeit Cello-Unterricht, also vielleicht das. Wobei ich letztes Jahr ein wenig Klarinettenspielen ausprobiert habe. Das macht auch ziemlich viel Spaß. Also vermutlich eher Klarinette.

Was steht bei dir in nächster Zeit an?
Mit Kontrapunk spielen wir demnächst einige Konzerte (17.10. Linz / 23.10. Korneuburg /18.11. Graz / 19.11. Wels / 29.11. Porgy&Bess Wien) und sogar ein paar Stummfilm-Vertonungen (16.10. „Der müde Tod“ Regensburg / 10.11. „Chess Fever“ & „La Coquille et le clergyman“ Kulturcafe Max Wien). Mit Franz Fuexe spielen wir am 12.11. in Wien bei der 35-Jahre-Chelsea-Feier und am 8.12. spiel ich dann mit margit im Rhiz. Das wird besonders super, weil wir in dieser Besetzung schon länger nicht gespielt haben.

Vielen Dank für das Interview!


Foto (Titelbild): Georg Cizek-Graf
Foto (Fließtext): Andreas Kronsteiner