Ein Label kommt selten alleine
Vor dreieinhalb Jahren hat Jonathan Gabler mit Panta R&E sein erstes Label gegründet, dem kurze Zeit später Kleio Records folgen sollte, zu diesem Zeitpunkt Bands wie Mother’s Cake, Lausch und Gospel Dating Service unter Vertrag. In unserem ersten Label-Interview erzählt er, wie diese entstanden sind, wie die Beziehungen zwischen Indie- und Majorlabels sind und wie Spotify das Geschäft verändert hat.
Mit welcher Idee oder mit welchem Ziel hast du die Labels gegründet?
Ich habe nach Möglichkeiten gesucht, Musik, die ich persönlich sehr leiwand finde, nach vorne zu bringen. Wie ich es dann gemacht habe, hat viel mit den Bands zu tun, mit denen ich damals gearbeitet habe. Bei Panta R&E waren das Mother’s Cake, Lausch und später Parasol Caravan und dadurch war schon eine klare Richtung vorgegeben. Es haben sich danach sehr viele Bands aus anderen Genres gemeldet, weshalb ich Kleio Records gegründet habe, um mich auch um Indiemukke kümmern zu können.
Und wo geht eure Reise hin?
Also ein drittes Label ist derzeit nicht geplant (lacht). Ich möchte jetzt in erster Linie versuchen, mit den Artists, die ich schon unter Vertrag habe, gute Arbeit zu machen und die Aufbauarbeit auf die nächste Stufe zu heben. Nach dreieinhalb Jahren sind es noch junge Labels und insofern geht es jetzt daran, mit den Bands zusammen erwachsen zu werden.
Gehen wir mal zu den Basics: Was ist eigentlich die Funktion eines Labels?
Früher haben Labels, neben der Vermarktung der Musik, die Produktionskosten vorfinanziert und durch die CD-Verkäufe wurde das wieder reingespielt. Das passiert mittlerweile nicht mehr, jedenfalls im Indiesektor. Heute würde ich Labels eher als Plattform sehen, über die Austausch stattfindet. Sie sind ein Knotenpunkt, an dem viele Enden zusammenlaufen sollten, sowohl medial als auch als Ansprechpartner für die Bands, Booker und Veranstalter.
Welche Aufgaben übertragen dann die Bands auf ein Label?
Oft werden nur Vertriebsaktivitäten übernommen, durch die das Album auf Spotify und iTunes, sowie im Laden stehen kann. Ich versuche auch, PR-Maßnahmen für eine Albumveröffentlichung oder für den Aufbau eines Artists im Allgemeinen durchzuführen oder in Auftrag zu geben. Für alle, die in diesem Geschäft arbeiten, zum Beispiel Veranstalter, ist es wichtig, mit jemandem zusammenzuarbeiten, der die Informationen gut destillieren kann, wodurch es effizienter sein kann, mit mir, als mit einer Band zu kommunizieren. Es macht einen Unterschied, ob sich jemand täglich mit der Operation im Hintergrund beschäftigt oder das ein Musiker ist, der als Hauptaufgabe die kreative Arbeit hat. Trotzdem stelle ich gewisse Ansprüche organisatorischer Art und Weise an die Bands.
Suchst du dir die Bands mit denen du arbeiten möchtest aus oder kommen sie zu dir?
In 90% der Fälle melden sich die Bands bei mir und normalerweise waren diese davor noch nicht unter Vertrag. Selbstverständlich gibt es bestehende Bands, mit denen ich gerne arbeiten würde, aber ich muss nicht in anderen Teichen fischen und andere Labels ausstechen.
Das heißt bei den Indielabels gibt es eine friedliche Koexistenz?
Ja, ich kenne niemanden, der da die Ellenbogen rausstreckt, sondern man hilft einander eher und sagt: „Hast du von dieser Förderung schon gehört, hast du das schon versucht?“
Siehst du dann Majorlabels als Konkurrenz?
Nicht wirklich, denn die Majorlabels sind daran interessiert, dass es eine gesunde Indieszene gibt. Es passiert schnell, dass ein Indielabel es nicht mehr schafft, den finanziellen Druck zu stemmen, der durch den Erfolg von Bands entsteht, zum Beispiel, wenn sie zigtausende Platten vorfinanzieren müssten. Bands wie Wanda und Bilderbuch sind beispielsweise zu groß geworden, als dass ein Indielabel noch ein ernsthaftes Angebot machen könnte. Wenn man zu gute Arbeit geleistet hat, muss man irgendwann „Aufwiederschaun“ sagen können. Problematisch ist es, wenn das der einzige Act ist, den das Label aufgebaut hat. Auf der anderen Seite kann es aber auch eine Chance sein, weil jemand anderer Geld in die Hand nimmt, um diesen Act weiterzubringen. Im Normalfall behältst du als Label die Verwertungsrechte für die alten Alben, das ist dann der sogenannte Backkatalog.
Ist für Indielabels die starke Monopoliserung des Marktes ein Problem?
Ich finde das persönlich nicht gut, dass es sich so entwickelt hat und die Majorlabels diverse Abscheulichkeiten im Umgang mit KünstlerInnen gezeigt haben. Die Frage, wie man das ändern könnte, kann aber niemand so schnell beantworten. Ich denke, Warner, Universal und Sony haben sich durch die steigenden Streaming-Zahlen wieder stabilisiert, auch weil sie ihre Backkataloge mit den vergangenen Veröffentlichungen der großen Popstars von früher bis heute haben. Dadurch haben sie natürlich einen unglaublichen Hebel in der Hand, den auch Spotify nicht alleine knacken kann.
Was meinst du damit?
Spotify übt Druck auf die Labels aus, weil sie gerne alleine die Acts nach vorne bringen würden, aber ohne die Arbeit der Labels wären viele KünstlerInnen nicht in den Blickpunkt der Öffentlichkeit gerückt. Durch Spotify ist das Geschäft zwar definitiv artistfreundlicher geworden, was prinzipiell gut ist, dennoch gibt es Schauergeschichten von Ghost-Playlists oder Fake-Artists, die einmal Geld bekommen, ihre Urheberrechte auf Spotify übertragen und dann in den eigenen Playlisten laufen. Der Kuchen wird dadurch weniger nach außen geteilt. Zugleich kaufen sich die Majorlabels in die großen Playlisten ein, wodurch es dann nicht um den kreativen Output geht, sondern darum, wer mehr Kohle in der Hand hat.
Wie hat Spotify das Geschäft artistfreundlicher gemacht?
Du kannst als Artist relativ einfach deine Musik auf Spotify bringen und brauchst dafür kein Label. Sie haben mehrere Funktionen eingebaut, die anzeigen, wo deine Fans sind, welche Zielgruppe du hast und welchen Erfolg deine Marketingaktivitäten rundherum haben. Mittlerweile kann man auch als Artist Songs für Playlisten pitchen und eine Redaktion entscheidet dann, was in die Playlist kommt. Das ist so wichtig, weil diese Listen sehr viele Follower haben. Wenn eine Band einmal in der Playlist war, sieht man einen schönen Peak in der Kurve der Streams und Spotify analysiert diese Kurve automatisch um zu entscheiden, ob die Band für eine weitere Playlist in Frage kommt.
Aber auf der anderen Seite wird ja nur sehr wenig für die Streams bezahlt.
Ja, sie sind natürlich sehr frech. Sowohl als Label, als auch als KünstlerIn bist du dem ausgeliefert. Du kannst gar nicht anders, als den Spielregeln von Spotify, Deezer oder auch Apple Music zu gehorchen. Die Verkaufszahlen im digitalen Downloadbereich werden immer schlechter, während Streaming das Einzige ist, das zunimmt, einfach weil sich das Verhalten der Menschen dahingehend geändert hat. Ich habe selbst einen Account, natürlich auch zu beruflichen Zwecken (lacht). Es bleibt zu hoffen, dass es in Zukunft faire Deals geben wird, aber derzeit ist das Prekariat ein großes Thema, in der gesamten Kulturszene. Gott sei Dank wird das wieder thematisiert. Ich war neulich wieder bei einer Dialogveranstaltung von der MA7, der Kulturabteilung der Stadt Wien. Auf die Frage des Indie-Verbandssprecher, Alexander Hirschenhauser, ob auch eine Förderung von Tonträgerproduktionen angedacht sei, meinte ein Beiratsmitglied: „Wenn wir jetzt anfangen Labels zu fördern, dann ist das ein Fass ohne Boden.“ Da wundert man sich schon, wo die Wertschätzung für die Tätigkeit der Indielabels geblieben ist.
Welche Maßnahmen würdest du dir zur Verbesserung der Situation wünschen?
Weil Österreich nur ein 8 Mio. Einwohnerland ist, gibt es eine Limitierung, was man hier machen kann, aber umso mehr muss man sich andere Länder zum Vorbild nehmen, die eine ganz massive Vorreiterrolle haben, was den Export von Musik anbelangt. Der Austrian Music Export, der sehr viele Artists auf internationale Showcase-Festivals bringt, ist leider unterfinanziert. Wenn sie mehr Mittel hätten, dann wäre das natürlich eine Investition in die Infrastruktur, die auch langfristig wirkt, aber wenn du immer nur einzelne Produktionen förderst, ist das ein Pflaster darauf, ohne einen nachhaltigen Unterschied zu machen. Gesellschaftlich können wir es uns einfach nicht leisten, Musik und Kultur abzuschreiben, da verdummen wir. Selbst die Popmusik hat nicht nur Unterhaltungsfaktor, sondern auch aufklärerische Aspekte, ich denke da jetzt an Frauenrechte oder auch den Vietnamkrieg.
Interview: Mira Achter
Foto: Julian Haas