Wolf Lehmann »Lucid Living«

Neues Alter Ego, neues Projekt, neues Debütalbum: Wolf Lehmann alias Wolfgang Möstl erschafft mit »Lucid Living« eine ganz eigene Klangwelt, die musikalisch irgendwo zwischen den Sphären Trip Hop, Vaporwave und Lounge umherschwebt. Clubbige Dystopie trifft auf Laid-Back Sommerhit-Vibes.
von Maximilian Zeller

 

 

Wie vielschichtig das musikalische Universum Wolfgang Möstls ist, muss mittlerweile eigentlich fast gar nicht mehr erwähnt werden. Ob als Gitarrist bei Clara Luzia, Kopf von Mile Me Deaf oder hinter dem Mischpult als Produzent diverser anderer Projekte: Möstl darf gut und gerne als stilistischer Tausendsassa bezeichnet werden. Unter dem Alter Ego Wolf Lehmann betreibt er nun ein neues Solo-Projekt, welches zwar Anlehnungen an seine bisherigen Arbeiten erkennen lässt (etwa die sphärischen Sounds von Voyage Futur), aber insgesamt doch recht eigenständig wirkt. Das gitarrenlastige Songwriting á la Melt Downer oder Mile Me Deaf weicht auf »Lucid Living« dem Experimentieren mit elektronischen Klängen und dem Arbeiten mit Samples und Loops. So kommt das Album auch – bis auf einige wenige Samples – zur Gänze ohne Vocals aus. An Spannung verliert die Musik dadurch aber nicht, sondern legt den Fokus eher auf die Instrumentierung und das Arrangement. Dabei schafft Möstl auf den insgesamt zehn Tracks einiges an Abwechslung. Die ersten Songs des Albums, allen voran die Single Mental Fitness, wirken wie eine clubbige Dystopie mit schrägen Synth-Sounds und trippigen Samples.

Mit dem kurzen Altar geht es danach um einiges gemütlicher weiter und es kommen beinahe Sommerhit-Vibes auf. Einen Höhepunkt bilden die beiden Songs Echo Park und Neutral 2.1 in der Mitte des Albums. Auf Ersterem wird nochmal ein Gang in Sachen Groove hochgeschalten und die Breakbeat-Skills werden ausgepackt. Spätestens hier wird auch in der dystopischsten Disco getanzt! So sehr dann der Wah-Wah-Gitarrensound im Intro von Neutral 2.1 überrascht, so schnell hat er einen auch in den Bann gezogen. Gepaart mit den Claps, den gemütlichen Flöten-Samples und dem allgemeinen Laid-Back-Feel des Songs, wird man von den bisherigen extraterrestrischen Klangwelten direkt zurück auf die Erde und zum nächstgelegenen Strand gebeamt (hier wären wir dann auch beim tatsächlichen Sommer-Hit angekommen). Würde hier noch Maurice drübersingen, könnte das sogar als Bilderbuch Song durchgehen.

Danach geht der Sound wieder in Richtung der Anfangsstücke. Auf Modern wird man mental in die 80er Jahre zurückversetzt – sollte es jemals eine Knight Rider Neuverfilmung geben, es gäbe keinen besseren Soundtrack als diesen Song. Das Abschlussstück Neoland II dauert mit sieben Minuten deutlich länger als die restlichen Songs des Albums und klingt um einiges atmosphärischer und flächiger als die Vorhergehenden. Das gefühlt ewig dauernde Synth-Solo am Ende stellt ein würdiges Finale des Albums dar.

Insgesamt wirkt »Lucid Living« sehr kohärent – vor allem was den Sound betrifft – ohne dabei langweilig zu werden. Die Stimmungswechsel der Songs, die unterschiedlichen Grooves und die Vielzahl an verwendeten Samples helfen dabei vor allem, den Spannungsbogen aufrechtzuerhalten. Man entdeckt immer wieder neue Sounds und Instrumente, weshalb das Album auch nach mehrmaligem Durchhören immer noch Spaß macht.

Interessant wäre, ob und wie das Projekt Wolf Lehmann live umgesetzt wird oder ob es als reines Studio-Projekt gedacht ist.