Paul Zewell

Im September schließt Paul Zewell sein einjähriges Studium an der Los Angeles Music Academy ab. Davor geht es für den 29-jährigen Kärntner noch auf Tournee nach Hawaii. Nur eine der vielen Stationen auf seiner Reise durch die „wundersame Welt des Schlagzeugs“.

PaulZewellVoriges Jahr hast du den etwas größeren Schritt getan, ein Jahr in Los Angeles zu studieren. Kannst du dich auch noch an deine ersten kleinen Schritte am Schlagzeug erinnern?

Angefangen hat das bei einem Freund von meinem Bruder. Die wollten mich irgendwie los werden und haben mich in den Keller geschickt, weil da ein Schlagzeug stand. Das habe ich dann voller Bewunderung begutachtet und ein bisschen herumprobiert. Daraus hat sich dann eine Liebe entwickelt und auch das Herumprobieren und Basteln ist mir ja bis heute geblieben. Meine Mutter hat zuerst einmal abgewartet, ob ich das Interesse bald verliere, wie das ja bei vielen Kindern so ist. Ich habe aber gewusst, dass das was ist für mich. Meine Eltern kamen mir dann auch sehr entgegen und mit meiner Mutter hatte ich einen Deal, dass Üben auch zum Lernen zählt. Natürlich habe ich dann viel mehr geübt, als gelernt.

War dir schon früh klar, dass es nur die Musik sein soll oder hattest du auch andere Alternativen?

Nein, eigentlich habe ich recht lang gebraucht. Ich habe ja überhaupt erst mit Zwölf begonnen – was im Vergleich zu manchen anderen vielleicht sogar etwas spät ist– und so richtig ernst genommen habe ich es dann erst nach der Matura. Ich habe schon vorher gern gespielt – auch in Bands – und recht wenig für die Schule getan. Aber wie es eben so ist: man übt mal mehr und dann geht es gleich viel besser, woraufhin es auch gleich mehr Spaß macht. Da entwickelt sich dann so ein Schneeballeffekt. Ich war dann in der Musikschule und dort sehen die Lehrer auch gleich den Fortschritt, dadurch bekommt man einen positiven Auftrieb irgendwie. Aber ich habe es nie übertrieben. Leider, wenn ich jetzt darüber nachdenke, weil ich hätte viel mehr üben können. Aber es war schon gut so, denn es war dadurch ein unbeschwertes Experimentieren und Wachsen und gegen Ende meiner Schulzeit habe ich mir überlegt: Eigentlich wäre die Musik ja etwas für mich. Entweder Physik studieren oder Schlagzeug – das war die Überlegung.

Gibt es da einen Zusammenhang bei dir zwischen Physik und Schlagzeug, wenn man an deine Bastelleidenschaft denkt?

Vielleicht, ja. Wobei ich das Basteln doch sehr von meiner Familie mitbekommen habe. Da haben viele gern herumgeschraubt. Meine beiden Großväter waren Mechaniker beziehungsweise Tischler. Das Handwerkliche ist in der Familie.

Hast du als erster in der Familie die Musik für dich entdeckt?

Mehr oder weniger, ja. Mein Vater hat schon eine große Plattensammlung und war als Jugendlicher auch mal Gitarrist – von Geschichten her. (lacht) Aber sonst hat keiner wirklich viel mit Musik zu tun in der Familie. Es ist bei mir nicht die klassische Geschichte: Sohn von zwei Musikern – mit zwei Jahren beginnen, Klavier zu spielen – dann zum Universalgenie entwickelt werden. Mein Weg ist ein bisschen anders, aber genauso spannend.

Hat es die Überzeugungsarbeit also von deiner Seite gebraucht?

Genau, meine Eltern haben mich aber wie gesagt immer gut unterstützt. Natürlich ist die Frage aufgekommen, wie man denn damit sein Geld verdienen kann. Ich war dann aber ab meinem zweiten Studienjahr am Konservatorium bei einer Tanzband dabei, mit der wir auf Schulbällen oder Parties gespielt haben und das war relativ gut bezahlt. Nebenbei habe ich angefangen, zu unterrichten. Dadurch, dass ich daheim kaum Ausgaben gehabt habe und trotzdem bereits ein regelmäßiges Einkommen, haben sich alle weiteren Diskussionen bald erübrigt. Mein erster bezahlter Gig war schon vorher in einer Schulband, ich weiß noch, das waren 20 Schilling, das war Weltklasse! (lacht) Ist eben schon etwas Besonderes, zum ersten Mal etwas zu bekommen fürs Spielen. Ich spiele aber sowieso immer gern und es ist ein angenehmes Gefühl, etwas gerne zu machen und damit sein Leben finanzieren zu können. Über das Unterrichten bin ich schließlich ins Kärntner Landesmusikschulwerk hineingerückt und habe am Ende meines Studiums bereits Vollzeit unterrichtet.

Wolltest du immer auch Lehrer werden?

Es war nicht die Ausgangsidee, aber ich bin sehr gerne Lehrer und mag es, Leuten zu helfen. Wenn jemand interessiert ist und lernen will, dann ist das toll. Man kann jemandem damit weiterhelfen und lernt dabei selbst sehr viel. Bevor ich in die USA gegangen bin, hatte ich knapp 50 Schüler. Da kann es natürlich auch anstrengend sein, wenn einige nicht üben. Für mich selbst war es aber sehr schön, für dieses Jahr Bildungskarenz bekommen zu haben, um selbst wieder mehr üben zu können und Zeit für mich zu haben, mich weiterentwickeln zu können und eine andere Perspektive kennenzulernen. Nun freue ich mich schon auf das Unterrichten.

Du bist jetzt seit genau einem Jahr hier an der LAMA in Pasadena. Wie hast du dich eingelebt in Los Angeles, wie war das in der ersten Zeit?

Ich war schon zwei mal kurz hier, als ich mit dem Klagenfurter Singer-/Songwriter Michael Hartenberger im Studio war. Das heißt, der erste „Kulturschock“ ist schon damals passiert und da habe ich mir auch gleich mal die Schule angeschaut, an der damals ein guter Freund, Rudi Prevda, studierte. Ich habe also schon ein wenig gewusst, wie und wo und worauf ich mich einstelle. Vor Beginn meines Studienjahrs war ich dann auch bereits ein paar Tage vorher hier und habe da eigentlich erst einmal nix gemacht, um einmal durchzuatmen, aber nach zwei drei Tagen wurde das langweilig, was ein seltsames Gefühl war, das ich schon lange nicht mehr hatte. Also ging ich schon vor offiziellem Schulstart voll motiviert in die Übungsräume. Wenn das Studienjahr anfängt, dann rauscht es zuerst einmal gewaltig. Du bekommst extrem viele Informationen und Sachen zu üben. Auf einmal war schon wieder Prüfungswoche und danach Ferien. Ich habe dann den amerikanischen Führerschein gemacht in den Ferien und angefangen, auf viele Konzerte zu gehen. All die legendären Clubs wie The Blue Whale oder The Baked Potato habe ich dann abgeklappert und bin – erst mal als Zuseher – in die Szene reingewachsen. Wenn du willst, bist du hier immer von extrem spannender und anspruchsvoller Musik umgeben. Aber es ist auch hier oft schwer genug, Leute dazu zu motivieren. Sogar viele Musikstudenten sind da schwer zu begeistern. Ich denke mir dann, dass das als angehender Musiker im eigenen Interesse ist, schließlich will man ja, dass in einigen Jahren die Leute auch zu den eigenen Auftritten kommen und man daher auch selbst etwas dazu beitragen sollte. Was mich hier so fasziniert ist, dass viele Größen quasi im Cafe um die Ecke spielen und man nachher noch mit ihnen plaudern kann, was bei uns ja eher nicht der Fall ist.

Euer Studienleiter Ralph Humphrey zählt auch zu den internationalen Größen, ist jetzt im Sommer als Clinician durch Europa getourt. Wie war es, ein Jahr lang intensiv bei ihm zu studieren?

In Wahrheit ist es unbeschreiblich. Ich nenne ihn immer liebevoll unseren „Yoda“, denn er hat einfach solch ein immenses Wissen und nebenbei ein extrem gutes Gefühl dafür, mit Studenten umzugehen. Er macht das hier auch schon seit Jahrzehnten, hat mit Joe Porcaro – einem bekannten Studiomusiker und Vater von Jeff Porcaro – diese Schule gegründet und die zwei haben einen riesigen Wissensfundus. Ralph ist immer extrem fit, kann alles erklären und spielen. Das ist sehr inspirierend. Auch wenn es viele andere tolle Lehrer gibt an der Schule, so ist Ralph doch etwas ganz Besonderes.

Wie gestaltet sich der Unterricht, wenn du es mit hiesigen Konservatorien vergleichst – auch von den Anforderungen her..?

Die Schule hier ist ein Business, daher sind die Aufnahmekriterien auch nicht sonderlich hoch. Überspitzt formuliert: Wenn du aufrecht gehen und zwei Sticks halten kannst, dann hast du Chancen, genommen zu werden – sofern du zahlst! Dafür geht es dann schnell voran und das Niveau wird schnell gesteigert. Das Studium dauert hier sechs Quarter, also eineinhalb Jahre. Ich konnte die ersten zwei überspringen und im dritten einsteigen. Am Konservatorium in Klagenfurt habe ich Klassik studiert mit Schwerpunkt Jazz. Das Programm hier heißt „Contemporary Drumming“, ist auf’s Drumset fokussiert und deckt fast alle Musikstile ab. Das heißt der Unterricht ist vom Konzept her grundsätzlich anders. Am Konservatorium hast du im Prinzip ja einen Lehrer, der deine Bezugsperson ist und mit dem du alles machst was sich um das Instrument dreht. Hier hast du verschiedenste Lehrer für verschiedene Klassen – jemanden, der Spezialist für Rockdrums ist, jemanden für Latin usw. Das hat alles seine Vor- und Nachteile. Es gibt vieles, womit ich in Österreich nicht in Berührung gekommen bin, wie etwa die verschiedenen Latin Stile und Studiodrumming. Für diese Bereiche gibt es hier eben die Spezialisten. Ansonsten hat man natürlich auch Musiktheorie und Klavier, wie bei uns. Der Unterricht ist immer sehr praxisorientiert und das Erlernte wird gleich angewendet. Ich würde mir eventuell mehr Kritik wünschen, es wird zuviel gelobt und zu wenig darauf hingewiesen, wo die Schwachstellen liegen. Die Verbesserungsvorschläge kommen zwar und sind extrem wertvoll, könnten aber etwas direkter passieren. Man hat manchmal das Gefühl, dass sie einem die Schule weiterhin verkaufen wollen, obwohl man eh schon drin ist. Wenn man drüber nachdenkt, ist Einzelunterricht ja etwas total Perverses: Man geht einmal in der Woche zu jemandem, um sich anzuhören, was man alles falsch macht. Lernen gehört zu den schmerzhaftesten Dingen, die man sich selbst antun möchte! Lernen ist nicht grundsätzlich was Lustiges. Es ist lustig, sich weiterzuentwickeln, aber der Prozess dazu kann ein sehr qualvoller sein und erfordert viel Disziplin und Konzentration. So hat das auch vor kurzem Efrain Toro erklärt, der hier auf der Schule eine beeindruckende Masterclass hielt.

Wie motiviert sind die anderen Studierenden in dieser Hinsicht?

Man merkt, dass vor allem die Leute aus dem Ausland extrem motiviert sind hier, weil es halt ein großer Aufwand ist, hierher zu kommen, sich ein Visum zu besorgen und sich alles neu einzurichten: Bankkonto, Wohnung, Auto etc. Man baut sich ein neues Leben auf und begibt sich in eine unbekannte, fordernde Situation, dadurch lässt es niemand schleifen. Bei den amerikanischen Studenten ist das in manchen Fällen anders, da die Schule für hiesige Verhältnisse offenbar nicht übermäßig teuer ist – da wir in Österreich den Luxus von nahezu freier Bildung genießen, finde ich sie extrem teuer! (lacht) – und sie das Angebot nicht so intensiv nützen oder sich manchmal nicht gut vorbereiten, was ich bei dem hochkarätigen Angebot hier eigentlich frech finde. Ich hatte das Glück, das „Outstanding Performance“-Stipendium zu bekommen zusätzlich und damit einen Teil der Kosten erlassen zu bekommen, was natürlich sehr hilft. Die Schule sperrt erst um eins in der Nacht zu und ich bin meistens bis zum späten Abend üben. Wenn ich nicht übe, dann gehe ich auf Konzerte oder spiele selbst Konzerte. So sieht mein Tagesablauf meistens aus. Man sollte das Angebot hier eben nützen. Und wie gesagt, gerade die ausländischen Studierenden haben hier ja kaum Ablenkung außerhalb der Schule, das Leben ist sehr zielgerichtet.

Um die motivierten Studenten anzusprechen: Du fährst jetzt Anfang September mit der Sängerin Kira Hooks für einige Gigs nach Hawaii…

Ja, da sieht man: Das Netzwerk baut sich automatisch auf mit den Leuten, mit denen man hier jeden Tag in Kontakt steht und es ist schon eine Spielwiese für Musiker hier. Du findest hinter jeder Tür jemanden, der auch Musik machen will. Kira und den Gitarristen Bruno Justi habe ich an der LAMA kennengelernt, sie haben das Programm bereits abgeschlossen. Jetzt fliegen wir für eine kleine Tour nach Hawaii, darauf freue ich mich klarerweise schon sehr, denn es macht immer viel Spaß, zu reisen und das mit dem Spielen verbinden zu können ist ein Traum. Wir spielen in erster Linie Songs von ihr. Sie ist sehr beeinflusst von Ragtime und klassischem Swing sowie auch von Electronic, was eine recht interessante Mischung ergibt. Ich habe als Schlagzeuger viele Freiheiten bei ihr, aber das letzte Wort hat sie. Ich bin also schon in der Sideman-Rolle. Kira und Bruno arbeiten sehr viel für dieses Projekt. Viele Leute, die hier abschließen, stehen zuerst einmal vor einem großen Fragezeichen und da muss man einfach selbst aktiv werden. Kira und Bruno haben das gemacht und konsequent gearbeitet, viele Clubs angeschrieben und das ist dann der Ertrag daraus. Die Arbeit die man in ein Projekt steckt sieht man am Ergebnis wieder. Grundsätzlich haben wir alle Möglichkeiten, entscheidend ist wie weit man bereit ist zu gehen, um ein Ziel zu erreichen. Das gilt für das Üben wie auch für musikalische Projekte, die man verwirklichen möchte. Ich freue mich schon sehr auf Hawaii, die Inseln ein bisschen zu erkunden und am Abend zu spielen.

Du warst bereits mit dem Kärntner Symphonieorchester sowie dem George Enescu Philharmonic Orchestra unterwegs, hast also auch schon in der klassischen Musik Erfahrung gesammelt. Wie hältst du es persönlich mit Genre-Grenzen, bist du da sehr offen oder gibt es etwas wofür dein Herz am stärksten schlägt, um nicht die Frage zu strapazieren, „woher“ du musikalisch kommst?

Ich muss gestehen, ich finde diese Frage wichtig, weil man wissen muss, wo man hin will. Dann ist es auch einfacher, dort anzukommen und auf etwas gezielt hinzuarbeiten. Wenn du mich als Sechzehnjährigen gefragt hättest, ob ich klassische Musik machen will, hätte ich wahrscheinlich verneint. Aber ich bin da irgendwie reingeschlittert und dankbar für das was ich dabei gelernt habe. Musik ist für mich wie eine Sprache und wenn du einen neuen Stil lernst, dann hat das was von einer neuen Sprache. Die Floskel, dass Musik keine Grenzen hat klingt natürlich total romantisch und ist auch sehr verbindend, aber du musst eben erst einmal lernen, wie du dich in einem Stil unterhalten kannst. Idealerweise ist man stilistisch vielseitig und hat einen weiten musikalischen Horizont, es ist jedoch schon wichtig, die Musikrichtungen die einem am Herzen liegen besonders zu verfolgen. Irgendwo steckt in einem ja doch noch der Teenager, der in der Garage Punk gespielt hat, einfach weil’s Spaß macht, sich auszutoben. Es ist wichtig, sich das Gefühl beizubehalten, am Spaß auch festzuhalten und von Herzen zu spielen. Was das Schlagzeug betrifft, könnte ich mich jetzt nicht festlegen auf jemanden, der mein Held war oder dergleichen. Da gibt es einfach zu viele und das wechselt ja auch ständig. Aber besonders beeindruckt, kann ich mich erinnern, hat mich Reini Winkler. Ich mag extrem wie er spielt. Er war einmal auf Tour mit Rebekka Bakken, bei der damals abwechselnd sowohl Jojo Mayer als auch er getrommelt haben. Ich bin in dem Glauben zu dem Konzert gegangen, dass der Jojo am Schlagzeug sitzt und war zuerst enttäuscht bevor ich ihn spielen hörte, aber Reini Winkler hat mich extrem fasziniert und ich war dann sehr froh, ihn gehört zu haben. Später konnte ich auch eine Wokshop bei ihm besuchen, was mir viel bedeutete. Bei Jojo Mayer habe ich dann auch einmal einen einwöchigen Workshop gemacht und das war ebenfalls sehr prägend, da er ein extremer Fuchs ist und sich viele gute Gedanken rund um das Instrument, dessen Entwicklung und Zukunft macht.

Du selbst machst dir ja auch viele Gedanken mit dem Herumbasteln und setzt dich dadurch viel mit Equipment auseinander oder?

Als ich begonnen habe, einige Schlagzeugmagazine zu lesen, habe ich gesehen, dass es da diese Welt von Leuten gibt, die sich nur mit dem Schlagzeug und dem Drumherum beschäftigen. Ich fand das total spannend, wie über Equipment und Sounds diskutiert wurde. Damit hat für mich eine Reise begonnen in die wundersame Welt des Schlagzeugs (lacht). Ich habe Testberichte verschlungen und angefangen, Trommeln zu kaufen – was ein riesiger Fehler war. (lacht) Ich habe mittlerweile bei mir in Klagenfurt über 20 Drumsets und 40 Snares, es ist also ausgeartet und eine Zeit lang fast mein gesamtes Geld da hineingeflossen. Aber es ist neben dem Spielen einfach eine große Leidenschaft von mir und hat mich immer nahe am Instrument gehalten. Ich habe dann auch zwei Monate als Praktikant bei Sonor gearbeitet. In meinem Bekanntenkreis bin ich mittlerweile meist die Anlaufstelle, wenn jemand Equipment braucht oder eine bestimmte Snare für’s Studio. Meist kann ich auch Spezialwünsche erfüllen und so habe ich für Poogie Bell ein Set gestellt, als er in Kärnten spielte. Das war für mich natürlich toll, ihn zu treffen und ich mache das total gern. Mich treibt es eben immer dazu, an etwas zu basteln. Ganz viele Übe-Sessions haben bei mir damit begonnen, dass ich einfach mal herumgeschraubt und experimentiert habe, statt zu üben.

Aber kann man das nicht auch zum Üben zählen, zu basteln und seinen eigenen Sound zu finden?

Ja, absolut. Es ist gut, die Kontrolle über das Instrument zu haben und zu wissen, was sich tut, wenn man wo schraubt. Bei meinen eigenen Live-Sets bin ich eher tragefaul und beschränke mich auf wenige Trommeln. Da finde ich es auch spannender, aus dem Wenigen was man hat viel herauszuholen. Tontechniker haben es ja auch meist lieber, wenn man wenig aufzubauen hat. Wenn du mit hunderten Trommeln antanzt, dann denken sich viele: Oh Gott, was wird das wohl wieder werden! (lacht)

Wie waren eigentlich deine Erwartungen vor dem Jahr in L.A. – haben sie sich erfüllt?

Es gibt natürlich diesen Traum von L.A. und ich habe mir auch ausgemalt, wie es hier so zugeht, aber es ist dann alles nicht so glamourös wie man es sich vorstellt. Der Alltag der Musiker schaut hier doch anders aus als ich mir das gedacht habe – Leute, die sonst auf Welttournee gehen, spielen hier in einem kleinen Club um vielleicht 50 Dollar und ein warmes Essen. Wenn man bedenkt, wie hoch die Lebenskosten hier sind und wie schlecht es um Krankenversicherungen und dergleichen steht, dann verliert das schon einiges von dem Zauber, den man sich womöglich im Vorhinein ausgemalt hat. Auf der anderen Seite erkennt man: Die Leute hier kochen auch nur mit Wasser – leider muss man da wieder alte Sprichwörter bemühen. Viele Heimstudios bei uns sind auch nicht anders ausgerüstet als hiesige Studios von Produzenten, die schon Grammys gewonnen haben. Ich habe mich gefragt: Wie kann das sein, dass die Leute hier mit dem gleichen Equipment viel bessere Resultate erzielen? Der springende Punkt ist, dass das was du draus machst, sehr viel mehr entscheidet als das Equipment das du benutzt. Das ist, glaube ich, eine sehr wichtige Erkenntnis, die man selbst machen muss, denn man liest es ja oft irgendwo. Aber wenn man es selbst erlebt, dann denkt man sich: Aha, davon haben alle geredet! Genau das gibt einem dann Kraft, sodass man keine Ausreden mehr hat und sich nicht ausruhen und argumentieren kann, man könne es nie so weit bringen, weil man dies oder jenes nicht hat. Dadurch gibt man nicht auf und das ist hier schon spürbar.

Aber liegt das nicht auch am größeren Musikmarkt und Stellenwert in L.A ?

Da würden sich viele wundern. Ich glaube nicht, dass hier mehr Musik verkauft wird als in Österreich oder dass die Venues mehr bezahlen. Es ist natürlich eine größere Stadt und somit gibt es auch mehr Möglichkeiten, aber das heißt kurz gesagt: Von den Clubs die wenig bezahlen gibt es hier einfach mehr. Es hat nicht den hohen Stellenwert, wie ich es mir gedacht hätte. Die Musikszene ist auch hier wie eine Art Untergrundorganisation – nur in einem bisschen größeren Maßstab. Aufgrund des größeren Maßstabs ist man aber immer von Musik umgeben und hat auch mehr Auftrittsmöglichkeiten, was für die Entwicklung wichtig ist. Ein Beispiel dafür ist der Produzent Robert Carranza, mit dem wir für Michael Hartenberger eine EP aufgenommen haben. Er hat schon viele bekannte Leute produziert wie Jack Johnson oder The Mars Volta und auch er hat, ganz traditionell, anfangs in einem Studio quasi den Boden gewischt und Wurstsemmeln geholt. So hat er eben extrem viel Zeit in Studios verbracht und dadurch sein Können und sein Ohr ständig weiterentwickelt. Mittlerweile weiß er einfach, was funktioniert. Quantität kann dann vielleicht indirekt doch zu Qualität führen, wenn du genug Möglichkeiten hast. Man kann es also sicher schaffen, sich durchzubeißen, wenn man daran arbeitet, aber ich für meinen Teil bin auch froh, wieder nach Österreich gehen zu können, weil die Lebensqualität bei uns doch sehr hoch ist. Das lernt man oft erst zu schätzen, wenn man länger fort ist. Mir macht mein Job daheim Spaß, dabei kann ich mit Kindern arbeiten und habe nebenbei noch Zeit für eigene Projekte. Würde ich hier in L.A. leben, wäre es für die erste Zeit zumindest so, dass alles was mir Spaß macht – auf Konzerte zu gehen zum Beispiel – ich mir hier nicht leisten könnte. Da ist dann die Frage: Wie hungrig ist man? Wenn du noch keinen Namen hast, musst du eben ständig präsent sein und networken, bis du vielleicht mal einen großen Gig landest. Es geht sicher, aber ich persönlich weiß nicht, ob es mir das wert wäre. So banal es klingt, aber es geht ja darum, dass man glücklich ist. Bist du nur froh, wenn du eine Stadiontour spielst? Ist es dir das wert, dich dafür für viele Jahre gerade so durchzuschlagen bis du den großen Gig hast? Kannst du den Prozess genießen oder macht dich das eher unglücklich? Diese Fragen muss man sich selbst stellen.

Was sind deine Pläne für die Zukunft, wenn du zurück in Österreich bist?

In erster Linie wieder ankommen und dann die Dinge aufarbeiten die ich hier in L.A. aufgesaugt habe. Da gibt es einen Lebensfundus an Dingen die ich erlernen, verbessern und weiter entwickeln möchte. Dann habe ich vor, ein neues Projekt zu starten, um ein kreatives Outlet zu haben, ich habe schon ein paar Ideen, aber klarerweise kommt es dann darauf an, welche Leute man dafür findet und wer die gleichen Interessen teilt, denn bei arbeitenden Musikern ist es wie ein Hauptgewinn im Lotto, jemanden für ein reines Herzensprojekt zu gewinnen, der engagiert ist für ein Projekt bei dem meist nicht viel Geld rausspringt. Natürlich weiters das Unterrichten und ich bin in Österreich auch noch bei zwei Projekten dabei. Zum einen eben bei Michael Hartenberger, mit dem ich letztes Jahr hier in L.A. die EP aufgenommen habe, die demnächst fertiggestellt werden soll, da wird noch ein bisschen herumgebastelt. Zum anderen habe ich noch eine Band hier, Trinity, mit der ich wieder viel in Pubs spielen werde. Das sind gute Freunde und das macht Spaß! Hauptsächlich möchte ich mich Musik widmen die mir am Herzen liegt. Da gibt es ja dieses Zwei-aus-Drei-Modell, bei dem von den drei Kriterien – Mitmusiker, Musik und Geld – zumindest zwei für einen passen sollten. Das finde ich einen recht weisen Grundsatz. Allerdings füge ich da für mich meistens zwei Ausnahmen hinzu: Entweder ich brauche das Geld total dringend oder sie ist sehr hübsch. (lacht) Aber natürlich steht in erster Linie jetzt einmal das große Wiedersehen an und ich freue mich schon sehr darauf, die vielen Gesichter wieder zu treffen nach dem einen Jahr.

 

Interview: Moritz Nowak