Christoph Schödl

Christoph Schödl hat mit Zweitfrau gerade das neue Album „10“ aufgenommen. Als frisch gekürter Drummer des Monats spricht er mit uns im Interview auch über seine vielen weiteren Projekte und erklärt, warum es oft besser ist, nicht zuviel zu wissen.

cs1Stimmt das, dass die erste Band, die dich beeinflusst hat, die Band deines Vaters war?

Ja, mein Vater war auch Kapellmeister bei der Blasmusikkapelle meines Heimatortes in Niederösterreich und zusätzlich hat er mit seinen Brüdern eine Art Kommerzband, in der mein Onkel Schlagzeug spielt. Seit ich zwei drei Jahre alt war habe ich immer die Kassetten von den Aufnahen angehört und das hat mich dann natürlich früh inspiriert und zur Musik gebracht. Meine Eltern hatten zuhause eine recht große Plattensammlung und es wurde generell viel Musik gehört. Ich bin dann in die Musikschule in Poysdorf gekommen, dort wurde mir ans Herz gelegt, neben dem Gymnasium Schlagzeug zu studieren. Ich war Vierzehn und bin also drei Mal in der Woche nach Wien gefahren auf’s Konservatorium und habe dort dann durch irgendwelche blöden Zufälle klassisches Schlagwerk studiert.

Durch blöde Zufälle?

Naja, meine Eltern haben gemeint, ich soll das Vorstufenstudium machen und mein Lehrer hat mich angemeldet zum Vorspielen, das hat gepasst. Irgendwann habe ich mich dann aber gefragt, wann wir denn nun mit dem Drumset anfangen. Da kam dann die Antwort: Naja, das kommt dann irgendwann als Nebenfach nach vier fünf Jahren dazu. (lacht) Sonst stand nur Mallets, Pauken und Snare am Programm, das ist zwar eh alles ganz lustig, aber ich wollte das eigentlich nie machen – ich wollte einfach Drumset spielen. Irgendwann nach zwei Jahren war mir klar, dass ich da nie ans Drumset kommen werde und das war mir dann einfach zu nerven- und zeitaufreibend, also habe ich es bleiben lassen.

Aber hat es dir, im Nachhinein gesehen, viel gebracht?

Im Nachhinein betrachtet, sehr. Ich glaube, dass ich dadurch extrem fit bin beim Notenlesen und Leadsheet spielen, da ich in der Zeit einige Opern und Musicals gespielt habe. Ich hatte dann aber irgendwann im Kopf eine Sperre dagegen, weil ich mich eben als Schlagzeuger sehe. Aber gebracht hat es auf jeden Fall etwas, so wie alle Erfahrungen im Leben etwas bringen – und wenn es auch nur das Wissen ist, dass man etwas nicht machen will. Ab meinem Maturajahr hatte ich bei Alex Schuster Privatunterricht und nach der Matura habe ich am Vienna Konservatorium bei Dieter Herfert begonnen, Jazzschlagzeug zu studieren. Ich habe auch noch Volksschullehramt studiert, das war aber eher auf Anraten meiner Eltern, des Sicherheitsgedankens wegen. Aber für mich war immer klar, dass ich nur Schlagzeugspielen will. Trotzdem war es gut, im Hintergrund zu wissen, dass ich auch eine berufliche Alternative hätte. Bei uns am Land oder besser gesagt in meinem familiären Umfeld war Musik immer eher etwas, was man nebenbei hobbymäßig macht und meine Eltern habe ich auch erst davon überzeugen müssen, dass man Kunst auch hauptberuflich betreiben kann. Insofern haben wir alle etwas lernen müssen.

Trotz Jazzstudium spielst du jetzt hauptsächlich groove-orientierte Musik, wie du sagst und unterrichtest den Zweig für Popularmusik am Konservatorium oder?

Genau, es war auch immer mehr meins, allerdings gab es damals noch keine Studienrichtung für Popularmusik, wie es sie heute gibt. Ich sehe das aber mittlerweile so, dass man gar kein Studium braucht, um erfolgreicher Schlagzeuger zu sein. Für den Bereich, in dem ich mich bewege, brauchst du keine Max Roach-Soli transkribieren können, sondern musst einfach authentisch sein und geil Musik spielen. Natürlich freue ich mich, wenn Studenten zu mir auf’s Konservatorium kommen, aber die meisten kommen auch in erster Linie, um Musik zu inhalieren. Man lernt dadurch natürlich in kurzer Zeit sehr viele Mitmusiker kennen und ist gleich bei Ensembles dabei. Vor allem wenn man, so wie ich damals, frisch in die Stadt kommt und noch gar keine Connections hat.

Bist du selbst also während deiner Studienzeit nicht viel auf Sessions gegangen?

Eigentlich gar nicht. Ich habe während meines Studiums schon recht viele Jobs bekommen, vor allem über Alex Schuster. Er hat mich oft angerufen, wenn er etwas hatte für mich. Eines führt dann zum Anderen und man kommt eben mit der Zeit in gewisse Kreise hinein und vieles ergibt sich dann. Dadurch habe ich selbst fast nie Jazz gespielt, da ich ständig genug Jobs hatte. Am Tag meiner Jazz-Diplomprüfung habe ich später am Nachmittag eine Probe mit Manuel Ortega gespielt, da habe ich mir dann schon gedacht: irgendwie eine kranke Welt. (lacht)

Jetzt hast du auch gerade das neue Album für Zweitfrau eingespielt, welches letzte Woche präsentiert wurde.

Zu Zweitfrau bin ich in meiner Zeit bei Russkaja gekommen. Wir haben auf einem Festival von Global2000 gespielt, auf dem die Diana, die Sängerin von Zweitfrau, moderiert hat. Sie ist dann zu mir gekommen und hat mein Spiel gelobt. Ich habe sie nicht gekannt und irgendwann gefragt: „Und machst du auch Musik?“ (lacht) Mir war Zweitfrau natürlich ein Begriff und ich habe sie vor allem über Markus Adamer gekannt, der früher deren Schlagzeuger war. Sie haben damals gerade eine Pause gemacht, aber Diana hat mir über Pläne für ein drittes Album erzählt und gefragt, ob ich Interesse hätte. Jetzt haben wir die Präsentation gerade hinter uns, aber wir werden jetzt keine Welttournee spielen, denn die anderen Bandmitglieder haben auch viele andere Verpflichtungen wie Kinder oder Beruf…

Also die typische Bandsituation ab 30?

Ja, das war eigentlich bei fast allen meinen Bands irgendwann Thema. Außer bei Russkaja, da haben wir hunderttausende Kilometer im Jahr zurückgelegt als ich dabei war. Da war es immer extrem. Schon bei der Audition, da waren circa fünfzehn Bewerber und es hat im Ost-Klub stattgefunden mit Kameras und allem drum und dran. Jedenfalls habe ich die Audition nicht gewonnen, aber trotzdem wurde ich von ihrem Sänger angerufen, dass sie mich doch ausprobieren wollen, da es offenbar Diskrepanzen mit dem Sieger gab. Er hat mir dann ihr eineinhalb-stündiges Programm zugeschickt und das war in sieben Tagen zu lernen, weil wir danach gleich hunderte Kilometer auf Tour waren. Das war für mich schon ein riesiger Stress, das Programm auch so zu lernen, dass man es vor einem riesigen Publikum ohne Zetteln oder Hilfe runterspielen kann – da habe ich in der einen Woche fast schon im Proberaum übernachtet, das war Wahnsinn. Ab Juni 2011 war ich dann dabei bis Ende 2012. Mit Willkommen Österreich eingerechnet, hatte ich dann schon so über 140 Auftritte mit Russkaja und nebenbei noch andere Projekte. Vor allem die Ausland-Gigs haben mir sehr getaugt, ich spiele gerne weit weg – das schweißt eine Band sehr zusammen.

Hast du bei Zweitfrau viel von deinen Vorgängern übernommen oder einiges geändert?

Ich orientiere mich natürlich an den bisherigen Aufnahmen, versuche aber schon, meine eigene Dynamik reinzubringen und das neue Album sollte ja auch wieder etwas erdiger und rockiger werden, nachdem das Zweite viele elektronische Elemente hatte. Das ist es erfreulicherweise auch geworden. Bei Andy Lee Lang, mit dem ich auch viel unterwegs bin, habe ich auch sehr viel Material und Zetteln bekommen. Da sind dann Mitschnitte dabei, die vor zwanzig Jahren entstanden sind, da versuche ich, dieses Feeling schon umzusetzen. Aber bei Zweitfrau haben wir im Vorfeld der Aufnahmen zum Album wirklich sehr viel geprobt und einfach gespielt. Letztes Jahr im Juli waren wir einige Zeit lang gemeinsam in einem Haus und haben da rund um die Uhr sehr viel herumprobiert und mitgeschnitten.

War es für dich eine besondere Situation, dass Zweitfrau-Sängerin Diana auch eine ansehnliche Schlagzeugerin ist? Hast du da einen anderen Zugang zum Songwriting bemerkt?

Für mich eigentlich nicht. Sie hat ja einen Teil von „Rückendeckung“, ihrem zweiten Album, selbst eingespielt, von daher habe ich gewusst, wie sie die Songs spielt. Sie spielt sehr authentisch und weiß genau, was der Song braucht. Aber es kam nie vor, dass sie mir vorgeschrieben hat, wie ich spielen soll, das war nie Thema. In der Hinsicht haben wir da ein super Bandgefüge. Als Schlagzeuger weißt du natürlich schon besser, was ein Song braucht und wie du mit der Dynamik umgehst. Sie hat schon recht klare Vorstellungen von den Rhythmen und Figuren, aber die einzelnen Fills sind von mir.

Worum geht es dir beim Spielen vor allem, was zeichnet dich aus?

Ich habe im Grunde immer kommerzielle Musik gemacht und immer im Fokus gehabt, wie ich Leute bewegen kann mit einem Groove. Wie ich ein Jazz-Solo transkribiere und wie schnell ich das schaffe, hat mich bis auf meine Diplomprüfung nie wirklich interessiert. Einerseits bereue ich es ein bisschen, aber andererseits halte ich auch nicht viel davon, weil es irgendwie eine Ego-Sache ist: Man zeigt dann, was man geübt hat, auch wenn es für die Musik nicht notwendig ist. Wichtiger ist für mich, mit den anderen Musikern auf einer Linie zu sein und tight zu spielen. Obwohl ich das Gefühl habe, dass das eh jeder sagt, mit dem man spricht, aber trotzdem gibt es dieses Höher-Weiter-Schneller nach wie vor. Ich finde es natürlich beeindruckend, was Thomas Lang spielt und ich mache auch selbst viel Sport, aber es lässt mich auf einer gewissen Ebene kalt. Für mich sind es eher Leute wie Jim Keltner, Matt Chamberlain, Questlove oder Steve Jordan, die für mich viel bewegen. Oder auch Josh Freese, obwohl der eher ein bisschen in Richtung Metal geht.

Was empfiehlst du deinen Studenten in dieser Hinsicht?

Sich zu fokussieren auf die Musik, die man machen will, ist ganz wichtig. Ich glaube sogar, dass es umso besser ist, je weniger du weißt. Du kannst dir ja heutzutage stundenlang Schlagzeugpornos reinziehen, aber genau dieses Überangebot und die Reizüberflutung kann auch kontraproduktiv sein, weil du dich dadurch nicht mehr auf dein eigenes Spiel und deinen eigenen Stil konzentrierst und außerdem denkst: Ich kann gar nix! Das ist auch ein bisschen das Problem in der Gesellschaft allgemein – man ist völlig eingespannt in Internet und Smartphone. Als ich Vierzehn war, gab mir mein Lehrer noch eine VHS mit – das ist dieses eckige Schwarze – und da habe ich genau gewusst, wann welche Stelle kommt. Heute klickt man sich durch und kommt vom Hundertsten ins Tausendste, da verliert man den Fokus. Mir macht das einen wahnsinnigen Stress, deshalb brauche ich auch immer wieder Auszeiten vom Internet. Seit einiger Zeit habe ich mich ins Laufen vertieft. Ein Freund von mir hat mich darauf gebracht und dann war ich immer öfter laufen. Irgendwann hat der Bruder meiner Freundin dann einen Trainingsplan für mich erstellt und wie es so läuft, kaufst du dir dann eine Pulsuhr und beginnst dich für die Marathon-Zeiten zu interessieren, erstellst dir einen Ernährungsplan dazu und bist sofort drin in der Welt, genauso wie es beim Schlagzeugspielen abläuft: Du bekommst ein Video und kaufst dir dann diese Sticks und brauchst dieses Becken mit diesen Löchern und diese Schule. Ich glaube, dass das nicht unbedingt gut ist, wenn man sich da so vieles auflastet von dem Drumherum. Es kann auch schön sein, aus dem Wenigen was man hat, viel zu machen. Aber in solcher Hinsicht verändert man sich natürlich im Laufe der Zeit. Mit Zwanzig war ich da auch noch anders.

Welche Veränderungen sind dir bei deinem Spiel seither selbst aufgefallen?

Ich will vor allem songdienlich spielen und spiele eben seltener Soli. Aber es ist ja ein Teufelskreis: Man glaubt, etwas nicht zu können und dadurch sperrt man sich dagegen, weshalb man es dann gar nicht erst versucht. Bei Andy Lee Lang spiele ich als Solo dann oft nur etwas auf dem Floor Tom, weil es mir eben darum geht, die Leute zum Tanzen zu bringen, zu bewegen. Trotzdem rutscht mir auch manchmal mein Ego raus und ich spiele Sachen, die ich grad geübt habe. Schade eigentlich. Aber wir sind ja alle noch ständig am Lernen.

Hast du eigene Projekte im Moment?

Ich spiele im Moment mit Valentin Oman und Thomas Mora bei Ramon, dem Projekt von Sänger Carl Avory. Das geht vom Stil her in Richtung Jamiroquai und das taugt mir sehr. Georg Beck hat für Ramon alle Alben eingespielt und zwar extrem fein. Jetzt versuche ich, mich da voll reinzuhängen und das ist im Moment eine Art Herzensprojekt für mich – auch im Sinne von „da gibt’s wenig Geld“. (lacht) Ich habe jetzt mit Valentin Oman angefangen, auch elektronische Musik zu machen, da schreibe ich auch an den Tracks. Weiters bin ich mit Thomas Beck unterwegs, der als Tombeck eine neue Form von Austropop auf die Bühne bringt, wenn man so will. Das hat Zukunft, glaube ich.

Findest du – als aktiver Läufer – dass sich die körperliche Fitness stark auf das Spielen auswirkt? Gibt es für dich einen Zusammenhang zwischen Sport und Schlagzeug?

Ja absolut. Alleine, wenn ich mir Videos von früher ansehe, wo ich recht versteift dasitze. Heute merke ich, dass ich in meinen Bewegungen viel entspannter und lockerer bin. Das hat schon auch mit dem Sport und mit Bewegung zu tun. Aber auf der anderen Seite sieht man dann Typen wie Dennis Chambers oder Aaron Spears, die ausschauen, als würden sie kaum atmen können und trotzdem unfassbar locker und musikalisch spielen. Aber für mich bringt das Laufen jedenfalls sehr viel und mein Kopf ist dadurch viel freier. Man braucht eben auch die Auszeiten.

 

Interview: Moritz Nowak