Tirol war ihm zu klein
Walther Großrubatscher wird ab 9. Februar in der Volkshochschule Brigittenau für die Beatboxx einen Schlagzeugkurs anbieten. Alexander Schöpf und Werner Kolic haben den Wahl-Ottakringer im Café Ritter im 16. Wiener Gemeindebezirk getroffen.
In den letzten Jahren habe er sich etwas rar gemacht, ist auf einer der vielen Internetseiten zu lesen, die Walther Großrubatscher erwähnen. Vielleicht liegt es daran, dass er sich vor einigen Jahren ein wenig von der Jazzszene zurückgezogen hat, wie er selbst zugibt. Dabei hat er den Jazz praktisch mit der Muttermilch aufgesogen. Im Haushalt der Großrubatschers in Innsbruck, als Walther noch ein Kind ist, ist immer Musik zu hören. „Mein Vater ist auf Jazz gestanden und hat vor allem alte Swingsachen gehört“, erinnert sich der Schlagzeuger. Der Swing ist auch Großrubatschers Background.
Selbst Musik zu machen ist ihm aber erst relativ spät eingefallen. Wohl auch deswegen, weil in der Familie niemand selbst musiziert, und auch kein Geld da ist. Als Walther Großrubatscher mit 16 Jahren eine Lehre als Versicherungskaufmann beginnt, kauft er sich zuerst eine Trompete. „Damit habe ich aber nur bescheidene Erfolge gefeiert“, gibt er lachend zu. Zum Schlagzeug kommt er über Umwege. Ein Freund spielt bei der Innsbrucker Blasmusikkapelle Schlagzeug, bei der Großrubatscher kurz darauf dann selbst anheuert: „Das hatte den großen Vorteil, dass der Unterricht gratis war.“ Das Trommeln taugt dem 18-jährigen Tiroler von Anfang an und auch mit dem Schlagzeuglehrer versteht er sich auf Anhieb.
Die lieben Nachbarn. Dem jungen Walther gefällt das Schlagzeuspielen nicht nur, er hat auch Talent dazu. Bereits nach wenigen Wochen spielt er besser als sein Kumpel, der ihn zur Blasmusikkapelle geholt hat. „Mein erstes ‚Zeugl’ kaufte ich mir dann im Spätsommer 1975“, erinnert er sich. Um 7.000 Schilling besorgt er sich ein Set der Firma Maxwin, ein Billigprodukt des namhaften Schlagzeugherstellers Pearl. Aufgestellt wird das Drumset in der elterlichen Wohnung: „Ich muss sagen, dass ich absolut liebe Nachbarn hatte.“
Untypisch für Großrubatschers Musikgeschmack ist seine erste Band. Ein Rockpartie. Gecovert werden Sachen wie Wishbone Ash und Pink Floyd – in einem alten Luftschutzbunker. Der Erfolg des Projektes ist eher bescheiden. „Wir haben im Wipptal bei einem Bandwettbewerb mitgemacht. Aber wir haben absolut nix g’rissen“, erinnert er sich lachend.
Raus aus Innsbruck. Aber auch Jazz spielt Großrubatscher zu diesem Zeitpunkt bereits. Er nimmt gerade Unterricht bei einem Italiener Namens Giacoppo Parducci: „Ein ganz entzückender Herr.“ Dort lernt er den Gitarristen Roland Heinz kennen, mit dem er einige Zeit zusammenarbeitet. In dieser Zeit kristallisiert sich auch langsam Walthers Zukunft heraus. Er schafft die Aufnahmeprüfung für das Konservatorium in Innsbruck, wo er zwei Jahre Klassik studiert. „Ich begann mir zu überlegen, wo ich überhaupt hin will.“ Für sein Vorhaben von der Musik leben zu können, ist Innsbruck eindeutig zu klein. Frei nach Ex-Vizekanzler Hubert Gorbach: „The world in Tirol is too small.“ Großrubatscher hat bereits seinen Job bei der Versicherung gekündigt, arbeitet nur mehr halbtags und mietet sich einen Proberaum. Sein Tagesablauf ist ganz auf das Schlagzeug fokussiert: Vormittags vier Stunden üben, danach arbeiten und nachts in die Jazzklubs. Aber selbst das ist ihm noch zu wenig: „Ich habe gewusst, dass ich weg muss. Eine zeitlang wollte ich nach Paris, weil der Kenny Clarke dort seine Schule hatte.“ Letztendlich landet er aber in Wien.
Endstation zweiter Chorus. Auslöser für den Gang nach Wien ist die ORF-Sendung „Bourbon Street“ – und ein Französischtrauma aus Schulzeiten – in der er Erich Bachträgl gemeinsam mit Marianne Mendt spielen sieht. Bachträgl imponiert dem jungen Tiroler so sehr, dass er in die Bundeshauptstadt fährt, um bei ihm vorzuspielen. Bachträgl ist seinerseits von Großrubatschers Talent beeindruckt und verspricht ihm, dass er aufs Konservatorium dürfe, wenn er beim dortigen Vorspielen ebenfalls so überzeugen könne. Walther hat dafür ein Solo von Max Roach einstudiert: „Ich habe es den ganzen Sommer geübt.“ Die Aufnahmeprüfung läuft dann aber nicht so reibungslos. „Das war ein Wahnsinn. Es ist nix weitergegangen“, erinnert er sich. „Du kommst dorthin und es sitzen 27 Leute da, von denen dann zwei genommen werden. Das ist nicht nett.“ Äußerlich noch unbeeindruckt von der drohenden Konkurrenz, legt er der Jury die Noten des Max Roach-Solos hin – „Die haben mich gefragt, ob ich die nicht zum Spielen bräuchte. Aber ich hab ihnen gesagt, dass ich es eh auswendig kenne, nachdem ich den ganzen Sommer geübt habe.“ – setzt sich hinter das Schlagzeug und fängt an zu spielen. Und kommt genau bis zum zweiten Chorus, wo es ihn raus haut. Also das Ganze noch einmal von vorne; aber auch diesmal ist an der gleichen Stelle Endstation. „In dem Moment hab ich mir gedacht, dass das Thema Konservatorium damit wohl gegessen ist. Ich hab mir dann doch noch die Noten geholt und das Solo zu Ende gespielt.“
Die Rutsche zum Heimleiter. Obwohl er überzeugt davon ist, dass das Vorspielen in die Hose gegangen ist, reift in Walther Großrubatschter aber dennoch der Entschluss in Wien zu bleiben. Eine Unterkunft findet er im Caritas Studentenheim, im 1. Wiener Gemeindebezirk, in der Seilerstätte, wo heute das Haus der Musik beheimatet ist. Die Rutsche zum Heimleiter legt ihm ein Saxophonist aus Oberösterreich, der bereits ihm Heim wohnt: „Ich bin damit die Warteliste umgangen.“ Doch als wäre das nicht schon Glück genug, begegnet er noch am gleichen Tag Rudolf Hansen, der in der Jury bei der Aufnahmeprüfung fürs Konservatorium saß. „Ich habe mich ein wenig mit ihm unterhalten, und da hat er mir zugeflüstert, dass sie mich am Kons nehmen.“
Auch wenn die Beziehung zu seinem Lehrer Erich Bachträgl nicht immer ganz reibungslos verläuft, entwickelt sich im Laufe der Jahre eine dicke Freundschaft. „Die vier Jahre am Kons haben wir permanent gestritten“, blickt Großrubatscher heute lachend zurück. „Das Problem war, dass ich schon ein paar Jahre älter als die anderen Schüler war und es gewagt habe gewisse Unterrichtsmethoden zu hinterfragen.“ Großrubatschers Homebase ist in diesen Jahren die „Jazzspelunke“ in der Dürergasse im 6. Wiener Gemeindebezirk, wo er seine Abende verbringt.
Schnippende Finger. Kurz nach Abschluss des Studiums landet der Tiroler auf Marianne Mendts Schlagzeughocker, mit der er bis zum Jahr 2000 spielt. Praktisch gleichzeitig wird er auch Hausdrummer im „Jazzland“ im 1. Bezirk. Dort bleibt er 15 Jahre (1986 bis 2001). Egal wer dort spielt, wenn es kein Drummer ist, dann trommelt Walther Großrubatscher. Der erste Stargast, den er dort begleiten darf ist Harry „Sweets“ Edison; eine Ikone in der Jazzszene. Doch die erste Freude über das Zusammenspiel mit dem prominenten Musiker, weicht bald erheblichen Zweifeln. Immerhin hat „Sweets“ bereits mit unbestrittenen Schlagzeug-Größen wie Buddy Rich und Jimmie Smith gespielt. Zweifel, die sich im Nachhinein als überflüssig erweisen. „Ich habe nie mehr jemanden erlebt der so eingezählt hat“, erinnert sich Großrubatscher mit einem Leuchten in den Augen. „Er hat zwei Mal so gemacht (schnippt mit den Fingern – Anm. d. Red.) und du hast die Time gehabt. Unglaublich. Zudem war er eine unglaublich herzliche Person.“
Während seiner Zeit im „Jazzland“ kommt Großrubatscher auch mit der Dixieland-Szene in Berührung. Ein Umstand der ihn sehr glücklich macht: „Das war die Musik meiner Kindheit. Dort habe ich endlich meine Gene Krupa-Schmähs auspacken können.“
Die Blindenhundenschule auf Long Island. 1988 kann sich Großrubatscher einen Traum erfüllen. Über eine deutsche Zeitschrift knüpft er Kontakt zu seinem Idol Joe Morello. Großrubatscher: „Das Witzige ist, dass meine ersten Drumsticks ‚Joe Morello Signature Sticks‘ waren. Damals hatte ich aber noch keine Ahnung wer Morello überhaupt ist.“ Die Sticks besitzt er übrigens immer noch. Nach einem kurzen Briefwechsel entscheidet sich Großrubatscher dazu, im Sommer zwei Monate in den USA zu verbringen, um dort bei seinem Vorbild Schlagzeugunterricht zu nehmen. Ein auf dem Papier wunderbarer Plan, der sich in der Praxis aber alles andere als einfach erweist. Denn kurz vor Walther seine Reise antritt, stirbt Morellos Blindenhund.
Bis Großrubatscher in New Jersey auf Joe Morello treffen kann, ist jener gerade damit beschäftigt, mit seinem neuen Vierbeiner eine Blindenhundschule zu besuchen, die zwei Wochen dauert. Dadurch verschiebt sich der Beginn des Schlagzeugunterrichts entsprechend zwei Wochen nach hinten. Als wenn das schon nicht genug wäre, muss der Kurs wiederholt werden, da ihn der Hund nicht besteht, wodurch wieder zwei Wochen verloren gehen. Großrubatscher: „Um es kurz zu machen: Aus den zwei Monaten ist dann eine Woche geworden.“ Obwohl Großrubatscher enttäuscht über den Verlauf seiner USA-Reise ist, überwiegen die positiven Aspekte. Durch die Stickcontrol-Übungen bei Morello ändert der Tiroler seine Technik und hat danach nie mehr Schmerzen im Handgelenk. Der Technikwechsel greift nach einem halben Jahr endgültig. „Ich habe einen Frühschoppen gespielt und bei einer bestimmten Phrase habe ich dann plötzlich gemerkt, dass es ganz automatisch geht.“
Die Kopisten-Clique. Neben seinen Live-Engagements nimmt auch das Unterrichten einen immer wichtigeren Platz in Großrubatschers Leben ein. Zwei Jahre unterrichtet er in der Penzinger Musikschule in der Fenzelgasse, aus der dann das Vienna Conservatory entsteht. Danach lehrt er am Schubert Konservatorium. Einen Job, den er über eine Clique von Kopisten bekommt. „Früher wurden alle Noten von Hand geschrieben. Das war zu der Zeit als das Raimund Theater renoviert und neu eröffnet wurde.“ Zur Neueröffnung gelangt eine Operette auf die Bühne, die neu arrangiert wurde. „Wir haben nächtelang durchgeschrieben, um die Noten termingerecht fertig zu kriegen.“ Auch am Schubert Konservatorium bleibt Großrubatscher zwei Jahre. Zwei Jahre in denen er einige Nachwuchsschlagzeuger auf das Konservatorium vorbereitet. Unter ihnen befindet sich auch Klaus Perez-Salado, der nunmehrige Schlagzeuger von Christl Stürmer.
Mörderkohle und Lustspiel. So sehr ihm der Unterricht am Schubert Konservatorium auch gefällt, so wenig zahlt es sich finanziell aus. Aus diesem Grund geht er drei Monate mit einem musikalischen Lustspiel auf Tour. „Das war musikalisch vielleicht nicht sonderlich anspruchsvoll, aber ich hab’ eine Mörderkohle gemacht.“ Soviel Kohle, dass er sich danach ein Jahr Auszeit vom Unterrichten nehmen kann. Er kaserniert sich fünf Monate in einem Haus in Böheimkirchen (Niederösterreich) ein, das er von einem Freund gemietet hat: „Es gab kein Telefon dort und ich konnte richtig abschalten. In der Früh bin ich einkaufen gegangen und hab mir zwei Semmeln und eine Kiste Bier geholt.“ (lacht)
Danach beginnt Walther Großrubatscher in der Musikschule Maria Anzbach zu unterrichten, wo er erstmals Kindern unter zehn Jahren das Schlagzeugspielen beibringt. „Das war eine ganz interessante Erfahrung für mich. Ich musste mir ein völlig neues Vokabular zulegen um die Kids bei Laune zu halten.“
All that Jazz. Im Jahr 1999 nimmt er ein Engagement beim Entertainer Michael Seida an. Mit dessen Show „Rat Pack Songs auf Wienerisch“ er durch die Lande tourt. In dieser Zeit beginnt auch langsam der Abschied aus der Jazzszene. „2002 habe ich den Kontakt mit der Jazzszene dann stark reduziert. Ich habe bestimmte Sachen einfach satt gehabt.“ Zu diesem Zeitpunkt ist Großrubatscher finanziell auch entsprechend abgesichert. Aber die Schlagzeugsticks hat er seit dem Sommer 1975 trotzdem nie zur Seite gelegt. Der Job des Schlagzeugers geht ihm „naturgemäß manchmal auf die Eier“. Aber das Spielen an und für sich hatte er nie satt. Während eines Englandurlaubs vor einigen Jahren, suchte er nach wenigen Tagen ein Musikgeschäft auf um sich ein paar Drumsticks zu besorgen, da er keine dabei hatte. „Ich hab es nicht mehr ausgehalten. Ich hab mich einfach auf eine Parkbank gesetzt und ein wenig darauf rumgetrommelt.“
VHS Brigittenau: Schlagzeugkurs mit Walther Großrubatscher
Von 9. Februar bis 25. Mai unterrichtet Walther Großrubatscher in der Beatboxx 20 Jugendliche ab 12 Jahren. Es handelt sich um einen umfangreichen Basiskurs mit dem Schwerpunkt auf Pop und Rock-Drumming, Stilanalyse, Songstruktur, Play-along, Überblick über lateinamerikanische Rhythmen, rudimentäre Bewegungsabläufe, Koordination und Unabhängigkeit sowie Fill-in Konzepte.
Ein paar wenige Plätze sind für den Kurs noch frei. Anmeldeschluss ist der 2. Februar. Solltest du keinen Platz zum Üben haben oder noch kein eigenes Schlagzeug besitzen – als Kursteilnehmer entfällt die Einschreibegebühr für die Beatboxx.
Anmeldung und Infos in der Volkshochschule Brigittenau, Raffaelgasse 11-13, unter Tel. (01) 330 41 95 oder im Internet unter www.vhs-brigittenau.at
Text: Alexander Schöpf
Foto: ciunas.at