LÖVEN – im Interview

Wir haben die Band LÖVEN kurz vor dem zweiten Lockdown in ihrem gemütlichen Studio in Ottakring besucht und durften ihnen ein paar Fragen stellen. Unter anderem haben sie uns verraten, wie bei ihnen der Songwriting-Prozess aussieht und was sie jungen Künstler*innen mit auf den Weg geben würden.
von Patrick Tilg

Welche Künstler*innen haben euch besonders geprägt? Einflüsse wie Rakede oder Deichkind sind deutlich zu hören, aber ist das auch die Musik, die euch beeinflusst hat?

Das Interessante ist, dass wir die Art von Musik, mit der man Löven assoziiert gar nie wirklich gehört haben. Wir kommen alle aus dem Rock und Indie Bereich und haben auch über 10 Jahre mit unserer Alternative-Rock-Band My Glorious getourt. Irgendwann hatten wir dann aber Lust etwas Deutschsprachiges zu machen, als es wieder cool wurde auf deutsch zu singen - so um 2011 oder 2012. Ursprünglich wollten wir aber etwas ganz anderes machen. Ziel war es zu Beginn etwas komplett Mainstreamiges zu machen - Deutsch-Pop für Ö3 sozusagen, um damit richtig Geld zu verdienen. Als Produzenten-Duo haben wir uns deshalb die zwei Jungs von Popmaché ins Boot geholt und 1-2 Jahre lang versucht Kommerz-Deutsch-Pop zu produzieren. Orientiert haben wir uns da bei Bourani und Co. - also die komplett gebügelte Deutsch-Partie. Deichkind und Rakede waren da lustigerweise gar keine Referenzen und das hört auch keiner von uns. Jedenfalls sind wir schließlich draufgekommen, dass wir das mit dem kommerziellen Deutsch-Pop nicht draufhaben und erkannten, dass wir eh nur das machen können, was in uns drinsteckt.

Was hört ihr dann zur Zeit so privat?

Viel internationalen Pop, Top 40. Aber genauso Indie und Alternative Rock, viel Singer/Songwriter. Auch viele Ambient-Sachen, Bon Iver und so. Auch mal Elton John.

Wie sieht bei euch der Workflow aus – beschreibt doch mal den Ablauf von der ersten Songidee bis zur fertigen Single?

Meistens gibt es eine Idee, die wir gemeinsam bearbeiten. Sami, der Sänger und Gitarrist, bringt da ganz viele Ideen für Themen und da versuchen wir dann zu dritt so das Grundgerüst herumzubauen, versuchen also die richtige Grundstimmung des Themas musikalisch umzusetzen. Wir schreiben eigentlich fast ausschließlich am Computer, daher sind die Demos dann ja auch meist schon Vorproduktionen. Da gehen wir dann aber gar nicht so ins Detail, denn wenn wir das Gefühl haben ein Lied sticht heraus, gehen wir damit sofort zu Popmaché. Zu Beginn waren wir eigentlich immer die Typen, die alles selbst gemacht haben. Haben dann aber auch gemerkt, wie wir selbst an unsere eigenen Grenzen stoßen. Es war eine wichtige Lektion einfach mal abzugeben, sodass wer anderer, also in unserem Fall die zwei Produzenten von Popmaché dann ihres dazu geben. Das war ein wichtiger Erfolgsfaktor, dass wir nicht mehr selbst versuchen alles bis ans Ende durchzuproduzieren. Jetzt versuchen wir zwar schon immer das Lied auf den Punkt zu bringen, aber noch nicht den Sound.

Abgesehen davon, dass Pop-Musik immer politisch ist. Seht ihr euch selbst als politische Band? Gerade im neuen Video zum Song »Bissl JaJa gibt es ja ein paar Filmsequenzen vom internationalen Politikgeschehen und beim letzten FM4 ProtestSongContest wart ihr auch mit dabei.

Wir sind irgendwie beides. Sind sicher alle drei eher Vertreter der Mitte. Aber nicht der politischen Mitte, sondern der ideologischen Mitte. Also ich kann weder mit ganz Rechten etwas anfangen, die den Linken sagen sie sind Oaschlöcher, noch umgekehrt. Ich glaub halt, jede Perspektive, die man im Leben hat, kommt durch den eigenen Werdegang zustande und wie man geprägt ist. Keiner ist ein Idiot für das, was er glaubt, aber jeder hat auch die Verantwortung das zu hinterfragen. Meiner Meinung nach hat nur ganz selten jemand Recht, der auf einer wirklich extremen Position festhält. Prinzipiell sind wir also schon politisch, indem wir uns sehr für politische Dinge interessieren, aber wir wollen nicht den Finger heben und sagen: das ist richtig, das ist falsch. Aber vielleicht sind wir eher introspektiv, als politisch. Wir wollen versuchen andere zu verstehen und sich selbst zu verstehen.

Welche Rolle spielen pop-kulturelle Zitate für euch? Ihr spielt ja sehr viel mit Zitaten und Redewendungen. Wollt ihr damit subtile Referenzen aufzeigen oder geht es euch dabei eher darum, bei den Hörern einen Art Wiedererkennungswert zu schaffen?

Wir mögen Sprache einfach sehr gerne und drücken Sachen gerne anders aus. Wir finden es spannend Erfahrungen selbst zu sammeln und nicht jedem Sprichwort oder gutem Tipp Glauben zu schenken, sondern immer alles zu hinterfragen. Das Schlechte daran ist, man braucht länger als die anderen, aber das Gute ist, dass man es auf so eine Art erlebt, dass man es mit eigenen Worten wiedergeben kann. Deshalb versuchen wir in unseren Texten auch mit unseren Worten was zu beleuchten, das andere nicht so formulieren würden. Verwenden und Verdrehen dafür aber Phrasen, die es schon gibt. Das ist dann halt oft sehr kantig und sperrig.

Ein großer Fokus bei Backbeat sind ja die Drums. Spielt ihr euer Schlagzeug noch ein oder verwendet ihr hauptsächlich Samples?

Teils teils. Was sich schon geändert hat zu früher ist, dass wir nicht mehr so in diesem Raum sitzen und nach dem Sound suchen, sondern bedienen uns jetzt halt am Computer. Vor allem, weil der Stil der Löven halt auch in diese elektronischere Richtung geht. Wir betrachten den Computer für dieses Projekt also wirklich als Instrument. Die Beats sind also ganz oft programmiert. Kommen teilweise von unseren Demos und teilweise machen Popmaché ganz was Neues drüber. Was wir allerdings immer live aufnehmen, sind Becken, da wir einfach finden, dass Becken-Samples noch lang nicht da sind, wo sie hin sollten. Hi-Hats nehmen wir aber schon vom Computer. Die große Challenge ist dann vor allem, die programmierten Ebenen der Beats live umzusetzen. Quasi, wie kann man es natürlich und spielbar umsetzen, ohne dass es komplett anders klingt als die Aufnahme. Was wir schon alles auf die Snare gelegt haben, damit sie so klingt, wie auf der Aufnahme, kann man sich gar nicht vorstellen. Seit kurzem verwenden wir für den Bass auch wieder ein trashiges Boss ME50 Bass-Pedal, das interessanterweise genau den synthetischen Sound erzeugt, den wir zur Zeit brauchen.

Ihr seid bei eurem Label Monkey eher die Ausreißer, wie kam es zur Zusammenarbeit?

Wir haben vor unserer ersten Single »Anananda« mehrere Labels angeschrieben und auch mit mehreren Gespräche geführt. Wollten aber gar nicht unbedingt bei wem unterkommen, sondern eher auf uns aufmerksam machen, da wir mit My Glorious eben nie wirklich in Österreich unterwegs waren und dadurch auch keine Verbindung zur österreichischen Szene mehr hatten. Mit den meisten hat es dann aber nicht so wirklich funktioniert. Wir haben dann erst einmal selbst releast und später, während der ersten Quarantäne, nochmals Kontakt mit ein paar österreichischen Indie-Labels aufgenommen. Monkey haben erkannt was schon da war und wo es vielleicht noch Luft nach oben gab. Bspw. bei Social Media - einfach in Bereichen, in denen sie besser vernetzt sind und mehr drauf haben als wir. Es war auf jeden Fall auch für sie ein großer Vertrauensschritt, da sie eben sonst nichts in diese Richtung haben. Drahthaus ist zwar schon auch elektronisch, aber doch anders. Wir verstehen uns jedenfalls alle sehr gut.

Wie würdet ihr die aktuelle österreichische Indie-Szene beschreiben?

Schwer zu sagen, wir sind nicht wirklich Teil der Indie-Szene. Wir sind uns nie sicher, ob sie jetzt besser ist, weil man mehr von ihr hört oder ob sie durch Social Media nur sichtbarer ist als früher. Es gibt ein paar Acts, die wir richtig gut finden. Vor kurzem haben wir Florence Arman entdeckt – die hat uns richtig weggeblasen. Oder schräg über unserem Probraum proben At Pavillon, die sind auch leiwand! Es gibt jedenfalls grad sehr viel großartige Musik in Österreich.

Was würdet ihr jungen Künstler*innen mit auf den Weg geben?

Geld.

Ok gut – nächste Frage: Streaming oder Schallplatte?

CD. Nein, aber wir finden auf jeden Fall diese Selbstverständlichkeit der Musik schwierig. Es ist schon super, dass jetzt alles überall sofort verfügbar ist, aber wenn es auf CD oder Vinyl erscheint, beschäftigt man sich vielleicht noch mehr mit der Musik. Es geht beim Streaming halt nur mehr um Hits und Singles. Für wen macht man also heut noch ein Album? Man verdient es eh nicht rein… Das finden wir schade, irgendwie. Uns interessiert auch diese Beschallung von irgendwelchen Playlists nicht wirklich, da man keine richtige Connection mit der Musik aufbauen kann. Da haben auch die Künstler*innen nicht viel davon, wenn sie Teil von so einem gesamten Matsch sind.

Apropos Album oder Singles. Wie geht es bei euch weiter? Habt ihr trotz alledem ein Album geplant oder bleibt ihr bei den Singles?

Wir wollten diesen Herbst eigentlich ein Album rausbringen, aber das haben wir jetzt erstmal verschoben, weil wir ja auch nicht auf Tour gehen können. Aber, wenn sich die Lage wieder etwas beruhigt hat – so 1-2 Singles später – wollen wir es dann rausbringen und auch endlich wieder live spielen. Das geht uns einfach schon ab. Ein Album rechnet sich zwar rein rechnerisch nicht, aber ohne Album fliegt man für viele Medien einfach noch immer unter dem Schirm. Deshalb lohnt es sich dann vielleicht doch.

Foto 1: © LÖVEN

Foto 2: © Guerilla Film Vienna