Anna Absolut

“Eigentlich wär’s doch cool, wieder mal eine Punkband zu machen.” Ein gesprächsreicher Heimweg nach einem Terrorgruppe-Konzert im Flex 2018 legte die Basis für ein freundschaftliches Projekt – mittlerweile hat sich Anna Absolut als unverzichtbarer Bestandteil in der Grazer Musik- und Punkszene etabliert. Wir haben mit Gitarrist/Sänger Joschi und Drummer Felix gesprochen.

von Stephanie Gaberle

Anna Absolut, das ist kluger, energiegeladener Indie-Punk-Rock aus Graz – das sind Moritz „Mo“ Linni (Gitarre und Gesang), Johannes „Joschi“ Dirnberger (Gitarre, Gesang), Felix Paschke (Drums) und Georg Popp (Bass). Die Idee einer frischen und grantigen Punkband wurde nach dem Terrorgruppe-Konzert noch am selben Abend in Drummer Felix’ Wohnung besiegelt, nach kurzer Zeit gesellte sich auch Bassist Georg hochmotiviert zur Truppe. Anna Absolut war geboren und von Anfang an teilte man die gemeinsame Auffassung: Gute, harte Musik, die Missstände anspricht, braucht’s einfach immer. Und immer mehr. Die mitschwingende Unzufriedenheit mit der damaligen schwarz-blau Regierung, der Trump-Präsidentschaft und dem allgemeinen Erstarken der Rechten lieferte ausreichend Stoff für die erste LP “Zebra”. Soundtechnisch liegt die Band irgendwo zwischen Indie, Punk und Rock – nuancierte Indie-Elemente wechseln sich mit derben Punk-Riffs ab und harmonieren mit dem charakteristisch sympathischen Garagenproberaum-Charme. 

Vor kurzem habt ihr euer drittes Album Ultramarin released – diesmal nicht in Eigenregie – wie ging es euch beim Prozess? 

Felix: “Die Produktion war tatsächlich nicht unspannend – eigentlich hatten wir Ultramarin als unser zweites Album geplant – das zweite ist dann als ziemliches DIY-Projekt auf einer Hütte entstanden. Die Songs, die auf Ultramarin drauf sind, waren unserer Meinung nach aber einfach zu gut, um sie wieder “nur” selbst aufzunehmen. Also haben wir uns an unseren Lieblingsproduzenten Tom Zwanzger gewandt und sind so in Qualität und Aufwand nochmal einen Schritt weiter gegangen. Wir haben eine ziemliche Freude damit.” 

Joschi: “Es war auch cool, zuerst selbst was zu machen und dann professioneller zu werden, an allem richtig lang zu feilen. Als nächstes planen wir eher wieder ein DIY Projekt, weil’s auch genauso viel Spaß macht.” 

Punk ohne politische Message ist kein Punk. Anna Absolut setzen in ihren Songs auf ungeschönte, drastische Botschaften und eine klare Linie, die immer wieder auf aktuelle Themen Bezug nimmt. Ein Beispiel ist der Song “Überfahrt”, der den menschenunwürdigen Umgang mit Geflüchteten in Europa thematisiert. Das Video wurde mit Fotos von Journalist Alexander Danner unterlegt, der entlang der Balkanroute unterwegs war. 

Joschi: “Die Band ist das Sprachrohr, das wir verwenden können, um so Dinge anzusprechen. Faschismus, Rassismus, Diskriminierung von Geschlechtern – man redet ja im Privaten oft darüber, ist da aber meistens in der eigenen Bubble. Mit unseren Songs haben wir die Chance, das zu verarbeiten und rauszuschreien, was wir vor allem am Vorgängeralbum 2×3 mit Songs wie „Überfahrt“ oder „Keinen Millimeter Zurück“ in sehr direkter Art und Weise gemacht haben. Auch auf Ultramarin ist mit „Karl Drews“ ein Statement-Song enthalten. Die anderen Ultramarin-Songs, wie zum Beispiel „Kanonen & Violinen“, spielen textlich stärker auf einer „Metaebene“, wie es Rainer Springenschmid in der Basement Show so schön formulierte.“

Was verbindet euch mit der österreichischen Musikszene? Was ist cool, was ist nicht so cool?

Felix: “Ich vergleich das immer gerne mit Deutschland. Hier in Österreich kann alternative Musik auf jeden Fall groß werden. Es ist halt wichtig, durch ein paar Filter zu kommen – einer davon heißt FM4 – wenn man richtig bekannt werden möchte und da muss der Style zumindest ein wenig zu dem passen, was gerade angesagt ist. Das ist auch ein Grund, warum viele nach Deutschland blicken, weil man da für Nischen vielleicht noch mehr Anklang findet. Allgemein ist die Szene – vor allem Punk – sehr gut vernetzt.“

Joschi: In Graz geht es uns da super. Wir supporten uns gegenseitig und es gibt viele richtig coole Punkbands, zum Beispiel Missstand, Antimanifest, Chris Magerl and the Burning Flags, Deadends, S.I.G. und mit dem jährlichen Erntepunkfest des Punk Vereins auch ein größeres etabliertes Festival. Man trinkt ein Getränk gemeinsam, teilt Wissen und Erfahrungen beim Recorden und Livespielen, ruft sich auch untereinander mal an. Allgemein kann das sicher noch systematischer passieren, aber in Graz läuft das schon ganz gut. Ein großer Faktor ist hierbei Soundportal, wo wirklich viele lokale Artists gespielt werden – oder das Styrian Sounds Festival. Über die steirische Grenze hinaus zu kommen, ist nicht so leicht – aber wir haben ja auch schon mal ein Konzert mit Missstand in Wien gespielt. Da kommt hoffentlich noch mehr. Momentan haben wir ein bisschen Babypause, weil Mo Papa geworden ist, wir schreiben aber schon wieder Songs und sitzen zusammen auf der Terrasse.”

Felix: “Und im November gibt es wieder ein gemeinsames Bandwochenende zum Brainstormen, bevor es dann Anfang Dezember nach Deutschland geht.”

Wie entstehen eure Songs?

Joschi: “Ich sprech Ideen oft einfach ins Handy rein. Da hab ich sogar eine aktuelle Anekdote dazu. Ich war kürzlich in Berlin in einem Restaurant und hab mehrmals beobachtet, dass ausgesprochen wenig Leute Trinkgeld für das Reinigungspersonal am WC hinterlassen. Das versteh ich einfach nicht, beim Servicepersonal ist das ja auch normal, dass man was gibt? Und dann ist mir die Textzeile eingefallen: ‘Trinkgeld, Trinkgeld, 10 Prozent sind immer drin’. Das schlag ich dann beim nächsten Treffen vor. Dann kommen Ideen und Rhythmus von Felix dazu, Mo und Georg liefern ihren Input und nach und nach entsteht der Song. Mit Elementen von allen Mitgliedern.” 

Was bedeutet Musikmachen für euch?

Felix: “Wenn ich nicht musik mach, dann werd ich depressiv, das kann ich nicht anders sagen. Ich brauche das als Ausgleich, als Antrieb und als Möglichkeit, gemeinsam was zu schaffen. Es macht mich glücklich.”

Joschi: “Ich finde, allein schon wenn man mit Musik aufwächst, sozialisiert das, kann empathiefördernd wirken. Da denkt man dann öfter darüber nach, welches Ereignis liegt einem Songtext zugrunde – und das macht was mit einem – es prägt. Für mich und ich glaub für uns alle ist Anna Absolut eine Energiequelle und alles, was wir kreieren, kommt aus intrinsischer Motivation. Wir “gehören” niemandem und sind einfach gute Freunde, die zwanglos Musik machen. Das ist schon ziemlich cool.“

Ziemlich cool, finden auch wir. Am 10.12. geht es für die vier nach Deutschland – da spielt Anna Absolut in Ulm und ist übrigens offen für weitere Gigs in der Nähe. Das nächste Österreichkonzert folgt dann im Jänner im Orpheum in Graz.