Pow-Wow im Zeltlager: Candee Beat und sein Camp
Talentierte, ehrgeizige Musiker + Karrierepläne in Österreich = Arschkarte. In dieser leidvollen Gleichung ist Candee Beat alias Wolfgang Kanduth längst keine Unbekannte mehr. Seit nunmehr 15 Jahren ist der musikalische Tausendsassa ein fester Bestandteil der heimischen Independent-Szene. Im losen Bandprojekt Candy Beat Camp verwirklicht der junge Mann seit 2004 als Songwriter, Gitarrist und Frontman seine Vorstellungen von handfestem Punkrock.
Von Martin Macho
So tragen auch die zwölf Songs der neuesten, mittlerweile dritten CD der Formation, Stay Okay, unverkennbar Candees Handschrift: eine mehr als gelungene Stilübung in Sachen gediegener 90er-Punkpop. Schnörkellos, direkt, wie frisch aus der Garage. Für backbeat fand der Vielbeschäftigte Zeit, über das Album, die Band und die eigene „Asozialisation“ zu erzählen.
Euer neues Album Stay Okay ist soeben veröffentlicht worden. Wie war die Entstehungsgeschichte bzw. der Arbeitsprozess?
Das ist alles im Kuddelmuddel entstanden, neben dem Tourchaos und den Staggers. 2009 ist ein Freund von mir, Dominik Zimmel, in die Nebenwohnung in Graz eingezogen. Mit dem hab ich schon oft Demos aufgenommen und kleinere Musikprojekte gemacht. Mit ihm haben wir uns einmal abends getroffen, und einfach wieder an neuen Songideen von mir gearbeitet. Der erste Song war „Stay Okay“. Das war auch der Arbeitstitel. Rundherum haben wir dann alle möglichen Lieder erarbeitet. Es waren letztlich über 20 Lieder als Demomaterial, aus dem die zwölf Titel, die wir tatsächlich im Studio aufgenommen haben, entstanden sind. 2011 haben wir uns mit Toni Loitsch, der schon lang im Principal-Studio in Münster arbeitet, getroffen. Der hat schon unsere zweite Platte Failing gemastert und gemischt. Und dann ist das in den Fuzzroom-Studios in Klagenfurt eingeklopft worden.
Ein Unterschied zu den beiden Vorgängeralben ist die Erweiterung der Band um einen zweiten Gitarristen (Axl Truschner, Anm. d. Red.).
Das Ganze ist als Patchwork-Projekt zu sehen. Es sind immer wieder neue Leute dabei, vor allem im Studio beim Aufnehmen. Wer dann tatsächlich mit mir auf der Bühne steht, ist immer wieder aufs Neue spannend (lacht).
Das heißt, das ist nicht so klar definiert bei euch?
Schon klar definiert, aber meistens eher temporär. Für das letzte halbe Jahr war es eben so, was sich dann in der Zukunft tut, das kann man durchaus vorweg nehmen, ist alles andere als fix. Alle Musiker sind ja sehr beschäftigt, und haben daneben noch eigene Bands. Zum Beispiel Georg Schober, der Bassist, spielt noch bei Keiner Mag Faustmann, die bei Ö3 jetzt auf und ab gespielt werden. Dazu ist er noch selbstständiger Tontechniker. Axl Truschner spielt bei Human Shout und bei Aexattack. Und Bernie Raser, mein Langzeitkollege, ist als Schlagzeuger noch bei den Pilots und JM Kanes. Es ist einfach ein riesiges Gefüge, wo alle sich kennen, und jeder mal Bock hat, mitzumachen.
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Wie läuft bei euch die Songerarbeitung generell ab, auch im Verhältnis Musik und Text?
Jeder Song erfordert einen eigenen Zugang, eine eigene Inspiration. Teilweise kommen die Lyrics im Jam und im Spielen zusammen. Ich bin aber auch der Typ, der noch immer mit Stiften und Zettel durch die Gegend fährt, und überall Notizen hat. Die werden zusammengefügt, weil man immer einen Pool von lyrischem Zeugs braucht. Bei mir ist es oft nur eine Gitarre, und dann wird einfach drauf los gespielt. Dann kommt das alles meistens irgendwie zusammen. Die Themen entwickeln sich oft aus persönlichen Erfahrungen oder Situationen, in denen man sich befindet. Daraus entstehen bestimmte Sprüche oder Attitudes.
Wie wichtig sind für dich die Lyrics?
Na ja, du kannst in der Musik halt in wenigen Worten so viel klar machen. Ob man etwas singt oder schreit beispielsweise, ist ja nicht unwesentlich. Die Ausdrucksform potenziert sich natürlich mit der Lyrik. Wenn man jetzt den Anspruch stellt, Gedichte zu schreiben, oder spannende Kurzgeschichten, funktioniert das auch nicht oft. Es muss meiner Meinung nach auf der einen Seite singbar und melodiös sein, es soll aber auch irgendwie tiefer gehen. In Songs wie „Anything“ oder „Hours“ steckt lyrisch für mich schon einiges drinnen. Wenn das jemand auch so versteht, und sich das vermitteln lässt, ist das natürlich großartig. Die Musik, die mich am meisten berührt, ist einfach ein gut geschriebener Popsong mit einer Attitüde. Ein Song, der dir etwas erzählt, und du mehr Hintergrund drinnen hast. Ich stell mir lyrisch jetzt nicht den ultimativen Anspruch, aber ich freu mich doch immer, wenn’s bei jemandem ankommt.
Du warst ja schon in einigen Bands (u. a. Antimaniax, Beatbrats, Leftöver Crack, Springy Pinestix, The Incredible Staggers, Anm. d. Red.). Was ist das Besondere am Candy Beat Camp?
Ja ganz klar, das Besondere ist natürlich, dass das hundertprozentig meine Handschrift ist. Es ist tatsächlich etwas, wo ich mich verwirklichen möchte. Ich hab in Schulbands angefangen. Blues, Rock’n’Roll und so. Ich wollte eigentlich immer singen und immer Gitarre spielen. Es war aber irgendwie nie ein Schlagzeuger vor Ort. Ich war immer derjenige, zu dem man dann gesagt hat, „Spiel du Schlagzeug“, weil ich auch immer der beste Drummer in der Band war. Anscheinend dürfte ich da ein Händchen für die richtigen Geschichten haben. Ich werde auch teilweise als Schlagzeuger in New York und Los Angeles angeheuert. Im Candy Beat Camp gehe ich einfach wieder zurück, so wie ich das ursprünglich haben wollte, nämlich dass ich die Songs schreibe.

Ist das Candy Beat Camp für dich ein Projekt von mehreren mit einer bestimmten Verweildauer, oder sagst du, „Das ist es, da möchte ich hin“?
Im Candy Beat Camp bin ich einfach zu Hause. Das ist hundertprozentig mein Projekt und da will ich alles aus mir raus holen, was möglich ist. Ich will die coolsten Songs schreiben, die besten Sounds machen und die Rhythmen, die sich in meinem Kopf abspielen, an Schlagzeug, Gitarre und Bass ausprobieren. Und das wird auf jeden Fall noch eine lange Zeit interessant bleiben. Im Candy Beat Camp sind immer auch Gäste mit dabei, weil es uns vor allem bei Liveauftritten wichtig ist, dass da viel Abwechslung drin ist. Wir schauen, das es nicht in einer Form von Routine endet, sondern eine gute Liveband daraus wird, und weiterhin großartige Aufnahmen zustande kommen können.
Daran anknüpfend die Frage: Gibt’s die Staggers noch?
Es kann gut sein, dass wir bald wieder auf der Bühne stehen. Es war jetzt ein gutes Jahr, in dem wir eine Livepause gehabt haben, was auch wichtig für alle war. Alle haben den Kram, den wir sechs Jahre lang aufgeschoben haben, erledigt. Ich hab zum Beispiel die Uni abgeschlossen. Das sind Dinge, zu denen man nicht kommt, weil wir einfach zu beschäftigt waren. Wir haben uns ja fast gegenseitig aufgefressen, weil man irgendwie den Ausgleich nicht mehr hat. Jetzt gibt’s sogar zu Halloween ein Zehn-Jahres Incredible Staggers-Jubiläum. Es gibt auch ein neues Video zu „That’s The Beat“ vom letzten Album. Dazu werden wir eine Live-DVD eines Konzerts beim Donauinselfest 2010 raus bringen. Wann genau wir wieder auf die Bühne steigen, kann ich nicht sagen, aber es kann durchaus passieren. Es gibt ja keinen wahren Rock’n’Roll mehr in Österreich. Die Staggers waren die letzte Band, die das wirklich auf der Bühne so rüber gebracht hat, dass die Leute es verstanden haben, und das international. Da gibt’s kaum was, das da nachkommt. Also haben wir quasi einen Auftrag, dass das weitergeht (lacht).
Du bist ja stilistisch und instrumentenmäßig sehr vielseitig. Wie wichtig ist für dich dieses Nicht-festgelegt-sein?
Jeder Musiker tut sich leichter, wenn er mehrere Sachen beherrscht. Als ich bei den Beatbrats angefangen habe, waren da auch Leute, die alle Instrumente gespielt haben. Nur jeder war halt auf einem Instrument besser. So was ist immer von Vorteil, und fürs Songwriting nur nützlich. Jeder der ein Instrument benutzt um etwas auszudrücken, kann damit umgehen. Du nimmst dann eine Gitarre so in die Hand, wie du dir das vorstellst. So wie du dein Schlagzeug aufbaust, so willst du das auch benutzen. Ich setze mich zum Klavier, weil ich einer Melodie nachgehen will, und was Eigenes damit machen will.
Gibt’s einen Lieblingsstil, ein Lieblingsinstrument?
Am wohlsten fühle ich mich im Prozess, wenn man Dinge erarbeitet. Du kannst mir jedes Instrument in die Hand drücken, und ich werde mich damit beschäftigen und meinen Teil in der Band leisten. Beim eigenen Songschreiben nehme ich das her, was ich finde, und mach was daraus.
Was waren eigentlich deine ersten musikalischen Einflüsse und Sozialisationsprozesse?
Es war ja eher „Asozialisation“ (lacht). Was man im Candy Beat Camp hört, ist meine Sozialisation mit 90er-Jahre Punkrock: Green Day, Screeching Weasel, aber auch die Ramones oder The Clash. Oder auch deutschsprachig: von Knochenfabrik kann ich heute noch alles auswendig. Ameisenstaat ist eigentlich mein ultimatives Punkrock-Sozialisationsalbum. Für mich war es ganz einfach der Punkrock, dieses, „I don’t give a fuck!“. Ich bin in Klagenfurt aufgewachsen. Was glaubst du, was da war? Das war ja eine fürchterliche Szene. Da ist alles im Grunde überall erstickt worden. Wir waren Punkrocker, und haben unsere eigenen Vorstellungen gehabt. Musik war da ein Werkzeug, sich irgendwie Gehör zu verschaffen, und in einer Szene Respekt zu erlangen. Man ist ganz einfach aufgefallen. Konzerte machen hat gewirkt, die Leute sind darauf angestiegen. Ich bin dann mit 17 gleich nach Graz gezogen, und bei den Antimaniax gelandet. Da haben wir quasi Europa erobert. Das Leben in einer Band und auf Tour ist einfach ideal um einerseits zu flüchten vor allem, was man alles im Alltag in Österreich erlebt. Es ist aber für eine Karriere in Österreich richtig schwer. Man ist ja da immer als eine Art Aussteiger unterwegs. Das hab ich auch in London und New York gesehen, wie hart der Lifestyle da ist, und wie brutal eine Karriere auch enden kann. Wir haben da auch immer irgendwie mit unserem Leben gespielt. Man opfert einiges, und es gibt halt nur wenige Kompromisse. Entweder alles, oder gar nichts. Für mich war es dann auch wirklich hart, weil ich ab 2002 jedes Jahr acht Monate auf Tournee war.
Zum Schluss noch ein Ausblick auf die Zukunft: Was sind die nächsten Pläne des Candy Beat Camp?
Wir werden jetzt zu unserer nächsten Single „Anything“ ein Video machen. Dann arbeiten wir natürlich unsere Konzerte und Tourtermine fürs nächste Jahr aus, vorwiegend in Österreich, Deutschland, Italien, Schweiz, im Februar, März und April. Im Winter sind wir wieder einmal auf einer Hütte, um die nächsten Demos einzuspielen. Das ganze Stay Okay-Album hat ja schon vor drei Jahren angefangen, in der Zwischenzeit hat sich schon wieder viel getan. Wir gehen jetzt weiter in dem Tempo, in dem wir uns jetzt gerade befinden, und das wir uns gerade zutrauen. Man darf auf alle Fälle weiter die Ohren anspitzen, und gespannt sein.
Das Album Stay Okay erschienen bei LasVegasRecords
(05.10. 2012)
Weitere Infos zum Candy Beat Camp unter: www.candybeatcamp.com
Fotos: LasVegasRecords