Tommy Böröcz

Unser »Drummer des Monats« ist niemand geringerer als Tommy Böröcz. Er war mit Falco in einem Trio, ist seit einiger Zeit der Schlagzeuger von Minisex und als Gründungsmitglied der legendären Fusion-Band Ostinato bespielt er seit den 70-er Jahren sämtliche Bühnen der Welt. Im Gespräch hat er uns erzählt warum er sein Drumset auch mal spiegelverkehrt spielt und wie er seinen Kaffee am liebsten trinkt.

von Patrick Tilg


Laut deiner Bio hast du an den Tasten begonnen – wann kam der Schritt vom Klavier zum Schlagzeug?
Sowohl ich, als auch meine beiden Geschwister haben Klavier spielen gelernt. Erst von unserem Vater und dann in der Musikschule. Allerdings hat nur meine Schwester das Klavierstudium mit der Staatsprüfung abgeschlossen. Ich selbst bin dann mit 15 Jahren zum Schlagzeug gekommen und hab erst später nochmal zwei weitere Jahre Klavier gelernt. Denn dazwischen hab ich relativ viel Fußball gespielt und bei 3-4 Trainings pro Woche und dann zusätzlich 56 Stunden pro Woche Graphischen (HTL) war da nicht mehr viel Platz für Musik. Irgendwann hab ich mir aber aus einer alten Tambourin und mit zwei Pinsel ein erstes „Schlagzeug“ gebaut. Mein Bruder hat Gitarre gespielt und ich hab getrommelt. Mein Nachbar bekam Wind davon und zeigte mir dann, wie ein echtes Schlagzeug aussieht und aufgebaut ist. Allerdings stand ich da bald vor einem großen Problem: es ist alles für Rechtshänder*innen ausgelegt.

Genau, du bist ja Linkshänder, wie bist du damit umgegangen und wie war der Umlernprozess für dich – gibt es eigentlich gespiegelte Drumsets?
Naja, am Anfang hab ich mir das Drumset einfach verkehrt herum aufgestellt. Hab das dann auch zwei Jahre so durchgezogen. Am Konservatorium musste ich dann allerdings umlernen, denn leider war mein Lehrer damals nicht sehr kooperativ. Er hat halt gemeint, dass er mir nicht wirklich vorspielen kann, wenn ich quasi verkehrt dran sitze.

Spielst du heute noch ab und zu links oder hast du dich dann für immer umgestellt?
Ja durchaus, ich übe sogar extra auch links zu spielen, denn das links Spielen ist bis heute mein Fundament geblieben. Wenn ich also rechts in die Balance kommen will, muss ich auch links üben. Denn die rechte Seite lernt dann wieder von der Linken. Das Schlagzeug ist zum Glück von der Funktionalität ein sehr variables Instrument, wenn es um den Startpunkt geht. Alle anderen Instrumente sind von der Logik und der Mechanik gebunden – also kaum umkehrbar. Es gibt bspw. kein Klavier, an dem die tiefen Töne an der rechten Seite sind und die hohen links.
Die Akzeptanz des Klanges im Gehirn muss gefestigt sein, sonst ist man nie 100 Prozent in Time, sondern nur ungefähr. Deshalb muss das einfach richtig gut geübt sein. Das Umlernen ist jedenfalls ein langsamer Prozess, der jahrelang dauert und das kostet natürlich sehr viel Energie.

Du bist ja in Ungarn geboren und dann relativ früh mit der Familie nach Österreich gekommen.
Ja, mit 3 Monaten, mich hat niemand gefragt, aber es war in Ordnung.

Wie war das dann für euch, was war eure erste Anlaufstelle?
Nachdem die Russen damals mit den Panzern angerückt sind – das macht sie ja scheinbar heute noch aus – haben meine Eltern mit uns die Flucht ergriffen. Zum Glück haben wir bereits in einem Grenzort zu Österreich gelebt und die Grenze war im Herbst 1956 offen, so konnten wir gut flüchten. Dann waren wir erstmal für ca. zwei Jahre in Lienz, Osttirol. In weiterer Folge haben wir eine Unterkunft in Wien bekommen, in der ich heute noch wohne. Die UNO hat den ungarischen Flüchtlingen damals eine Siedung im 21. Bezirk errichtet. Mittlerweile gehört die Siedlung aber nicht mehr der UNO und auch nicht der Stadt Wien.

Hattest du dann später noch Verbindungen zur ungarischen Musikszene?
Ja, aber leider keine besonders starke Verbindung. Mit meinem ersten Gitarristen und Freund Claudius Jelinek, dem Gitarristen von Ostinato, habe ich einmal einen ungarischen Schlagzeuger kennen gelernt. Und einmal durfte ich mit Aladar Pege eine Session in Wien spielen. Und heute lerne ich immer wieder Ungungarische Musiker*innen kennen, die mittlerweile auch in Wien leben, da der Eiserne Vorhang ja nicht mehr existiert.

 

Du warst Mitbegründer der Funk- und Fusion-Formation Ostinato, wie kam es zu dem langjährigen Projekt, das es ja noch immer gibt?
Ich hab damals den eben erwähnten Gitarristen Claudius Jelinek kennengelernt, er hat auch den Namen Ostinato erfunden und so kam eines zum anderem. Der Begriff ist ja ein musikalischer – er kommt vom basso ostinato. Das ist ein einfacher Wechselbass. In unserer Band ist ein Ostinato Bass eine komplexere Figur, die sich ständig wiederholt.
Und genau, die Band gibt es noch heute. Wir spielen seit ein paar Jahren in einer netten Regelmäßigkeit, immer zwischen Weihnachten und Silvester, im Porgy&Bess in Wien. Am 04.Novemebr spielen wir außerdem in Pfaffstätten. Aber es werden keine großen Bemühungen mehr gemacht mit dem Projekt viel live zu spielen. Wir haben alle bis zu 10 andere Musik-Projekte, mit denen wir finanziell besser durchkommen, als nur mit dem einen.

In welchen Projekten findet man dich denn aktuell?
Von Pop-Musik bis Jazz ist eigentlich alles da. Wo ich engagiert werde, spiele ich im Normalfall auch gerne. Es gibt aktuell eigentlich keinen Fokus, auf das eine oder andere Band-Projekt, aber natürlich gibt es welche, die öfter Auftreten als andere. Eine der bekanntesten Gruppen darunter ist vermutlich Minisex, mit denen haben wir vor kurzem auch beim Nova Rock Festival den Abschluss gemacht. Zu unserem Unglück ist leider zum zweiten Mal ein Musiker an Corona erkrankt und deshalb musste gerade wieder ein Open Air in Wiener Neudorf abgesagt werden.

Warst du schon immer bei Minisex dabei oder bist du da erst später dazu gekommen?
Nein, nicht von Anfang an. Im Studio hab ich zwar früher schon hin und wieder bei ihnen gespielt und auch mal bei einer Fernseh-Show in Deutschland ausgeholfen, aber es war vor allem eine Freundschaft, die uns stark verbunden hatte. Denn der Minisex-Keyboarder und jetzige Gitarrist Hannes Seidl war damals auch Keyboarder bei Ostinato und deshalb hatten wir über die Jahre immer engen Kontakt. Er ist übrigens einer der wenigen Weltweit, die Carlos Santana dermaßen gut interpretieren, dass seine Tribute Band „The Sound of Carlos S.“ auch sehr gut läuft. Mit dieser Band spiele ich auch sehr regelmäßig. Hannes hat sein komplettes Gitarren-Setup derart akribisch nachgebaut, dass sein Gitarrensound fast noch besser ist, als der von Carlos Santana, also zumindest sehr nah dran! Aber auch Soul-Musik spiele ich viel, z.B. mit Big John. Dort hab ich sehr oft Sessions gespielt und auch geleitet. Sam Brisbe begleite ich auch sehr gerne, ein Sänger aus Nigeria, der schon lange in Wien lebt. Er ist ein begnadeter Reggae-Musiker, mit dem ich auch 7 Jahre lang mit seiner Reggae-Coverband in Hotelanlagen gespielt hab. Es hat wirklich Spaß gemacht mit ihm die Reggae-Musik richtig zu erlernen und den One Drop wirklich dorthin zu setzen, wo er hingehört.

Also wirklich quer durch die Sound-Landschaft.
Wir kommen zu einer Frage, die du vermutlich schon oft gehört hast: Wie war die Zusammenarbeit mit Falco? Du hast ja, so viel ich weiß, die Drums bei seinem legendären Debütalbum »Einzelhaft« eingespielt.
Ja, also ich hab ihn gekannt und auch ein Trio mit ihm gehabt. Gemeinsam mit Peter Paul Skrepek. Damals hatte er aber noch keine Solo-Ambitionen. Zu dieser Zeit war er glaub ich noch nicht mal bei Drahdiwaberl dabei. Die Hallucination Companie und Drahdiwaberl waren damals auch meine Heroes, weil sie die Musik mehr gelebt und nicht einfach nur gemacht haben. Nach dem Trio mit Falco gingen unsere Projekte erstmal in eine andere Richtung. Aber dann für seine erste LP »Einzelhaft« hab ich die Rototoms und Percussion eingespielt, denn damals war der Drumcomputer sehr angesagt und plötzlich hatten die Schlagzeuger alle keine Jobs mehr. In Amerika hat man damals sogar ein Gesetz erlassen, dass, wenn im Studio kein*e Drummer*in zum Einsatz kommt, mindestens ein*e Schlagzeuger*in bezahlt werden muss. Auch wenn er*sie gar nichts macht und die Drummachine durchläuft. Denn dort ist die Gewerkschaft der Musiker*innen einfach viel stärker als bei uns.
Jedenfalls war damals bei Falcos erster Produktion der Linn Drumcomputer an der Reihe. Robert Ponger war damals sehr stolz, dass er in Wien einer der ersten mit Linn Drums war. Zum Glück geht’s in der Live-Musik nicht wirklich nur mit dem Drumcomputer.

Wann fand dann die Rückkehr des Schlagzeugs in die Pop-Musik statt oder gab es die gar nicht mehr?
Naja, ich freu mich, dass mit der Indie-Musik die Schlagzeuger*innen wieder in den Fokus gerückt sind und wieder Rock-Musik angesagt war. In den 80-er Jahren waren ja auch Rock-Gitarren nicht wirklich beliebt, weil eh die Keyboarder*innen alles gemacht haben. Auch die Brass-Sections waren weg, das haben alles die Keyboards übernommen. Das hat den Leuten damals auch gefallen, weil es so anders geklungen hat.

Und in vielen Genres ist es auch geblieben. Aber kommen wir zu heute – welche aktuellen österreichischen Künstler*innen finden wir in deiner Plattensammlung?
Da gibt es sehr viele Namen, die ich jetzt gar nicht nennen muss. Diejenigen, die einen Namen in der Pop-Musik haben, haben den eigentlich zu Recht. Die Qualität der Pop-Musik in Österreich ist wirklich gestiegen, was auch damit zu tun hat, dass die Möglichkeit, ein Instrument zu erlernen, noch nie so mannigfaltig war, wie heute. Bei mir gab es nur das Jazz-Konservatorium und das war es dann schon wieder. Mit etwas Glück hast du eine*n Privatlehrer*in gefunden, der dir ein paar Tricks gezeigt hat. Den Rest hast du dir von Schallplatten runtergehört oder bei Konzerten abgeschaut. Heute kann man sich einfach ein Video dazu ansehen.

Unsere Spezialfrage: Welcher Groove passt für dich zu den folgenden Stimmungen?
Traurig:  Bei traurig denkt man natürlich an Blues, aber das muss gar nicht sein. Es gibt Pop-Songs die von der Aussage total traurig sind und trotzdem irrsinnig weggrooven. Umgekehrt das gleiche.
Glücklich: 
Euphorie zu erzeugen ist natürlich mit einem langsamen Tempo nicht so leicht möglich, wie mit einem Tempo, bei dem dir das Knie zuckt und zu dem man sich bewegen will.

Und zum Abschluss: Wie trinkst du deinen Kaffee am liebsten?
Cappuccino, ohne Zucker.

 


 

Foto: APA / Georg Hochmuth