Alex Deutsch

[vc_row][vc_column width=“2/3″][vc_column_text]„40 Years Of Smoking Drums“ wird das Motto sein, wenn Alex Deutsch sein 40-jähriges Bühnenjubiläum feiert. Vier Jahrzehnte, in denen sich sein Zugang, nie jedoch seine Liebe zur Musik verändert hat, die er im Rahmen eines dreitägigen Specials im Wiener Porgy & Bess mit etlichen Freunden und Wegbegleitern hochleben lassen wird.

Gratuliere zu deinem 40-jährigen Jubiläum. Zehn Jahre ist es her, dass du „30 Years Of Smoking Drums“ im Porgy & Bess gefeiert hast. Steht wieder Ähnliches auf dem Programm?

Danke! Das ist wieder eine Phase, die man abschließt und nachdem ich Enthusiasmus ohne Ende in mir trage und mit so tollen Leuten spielen und arbeiten habe dürfen, möchte ich möglichst viele davon um mich versammeln und feiern. Vor allem, weil mir Schlagzeugspielen nach wie vor das Liebste ist, was ich tue. Summa summarum sind es 16 Besetzungen in drei Tagen – also jeden Abend fünf, sechs Mikrokonzerte. Dafür habe ich auch ein eigenes Crowdfunding gestartet, denn es sind viele Sachen zu finanzieren, wie Flüge und Hotelkosten. Aber nicht nur wegen der Kohle, sondern auch weil es eine gute Möglichkeit zur Cross-Promotion ist. Das Wichtigste ist mir nämlich, dass die Hütte drei Tage lang voll ist.

Die Proben laufen auch schon oder wirst du alles als spontane Session spielen?

Die Proben sind bereits am Laufen. Ich werde meine neue Band vorstellen: Alex And The Candy Killers, eine Band mit lauter Mädels. Das gründet einerseits auf einem alten Teenager-Traum von mir, in einer Band nur mit Frauen zu spielen – ein Freund und Kollege aus meiner Zeit in Berklee, Abe Laboriel jr., ist mir da bereits voraus seit er mit Kelis gespielt hat. (lacht) Zum anderen finde ich, dass es inzwischen so viele tolle Musikerinnen abseits des Gesangs-Klischees gibt und dafür noch immer zu wenig Platz ist. Diese ganzen Männerclubs gehen mir schon ziemlich auf die Nerven. Das ist so ein eingefahrener Kasten und entspricht einfach nicht mehr den heutigen Umständen.

Apropos Berklee: Du hast insgesamt acht Jahre lang in den USA gelebt. Unter welchen Umständen bist du damals über den Atlantik gezogen?

Wir sind quasi als ganze Band emigriert. Das war Mitte der 80er Jahre noch eine echte Pioniers-Tat. Wolfgang Muthspiel, Peter Herbert und ich haben damals ein Stipendium fürs Berklee College Of Music bekommen, sonst hätten wir uns das eh nicht leisten können. Ich habe zu der Zeit ziemlich viel Jazz gespielt – auch mit vielen großen Namen, was ich aber zu dieser Zeit nicht registriert habe. Ich war durch die Arbeit mit Woody Shaw, Freddie Hubbard und weiteren Leuten, mit denen ich spielen durfte, viel in Europa unterwegs und habe bei den großen Festivals viele amerikanische Bands gesehen, die aus dem Soul-RnB-Funk-Bereich kamen und einen Groove gehabt haben, dass mir das Hirn stehen geblieben ist. Da hab ich mir gedacht: „Bist du deppert, was tun die, wie tun die das und was machen die anders?!“ Ich wollte das ganz genau herausfinden und wissen. Das war der Grund, warum ich nach Amerika gegangen bin. Ich war dann circa drei Jahre in Boston, habe aber im Gegensatz zu Peter und Wolfgang nicht fertigstudiert, sondern habe nur ein Semester dort unterrichtet. Boston hat sich für mich ein bisschen wie Graz angefühlt – also eher als Universitätsstadt, die in gewisser Weise im eigenen Saft schmort. Ich wollte es aber genau wissen und bin deswegen nach New York weitergezogen.

Wo du in die dortige HipHop-Szene eingetaucht bist. Wie hat dich die Zeit in den USA verändert?

Ich habe mit vielen Leuten von Arrested Development gespielt, mit denen ich noch immer in regem Kontakt stehe. Außerdem bin ich durch meine damalige Frau auch ein bisschen in die Alternative Rock-Szene hineingewachsen. Ich selbst hatte dann mit Jamaaladeen Tacuma und George Garzone die Band Pink Inc., zu der später noch Delmar Brown hinzu kam. Das war meine erste richtige Jamband, wie ich sie später immer wieder betrieben habe. Jamaaladeen Tacuma ist für mich so etwas wie ein Lebenspartner, wir sind noch immer ganz liebe Freunde. Leider kann er bei meinem Jubiläum nicht dabei sein, aber durch ihn habe ich auch das richtige Amerika kennengelernt. Als mich Jamaaladeen zu seiner Mutter nach Philadelphia mitgenommen hat, habe ich diesen Zugang der afroamerikanischen Community hautnah erleben dürfen. Ich habe es immer auch abseits der Musik geliebt, neue Zugänge zu gewissen Lebens- und Gesellschaftsformen zu bekommen. Das war und ist für mich immer extrem spannend.

Glaubst du gehört dieses Eintauchen in die Kultur dazu, wenn man einen bestimmten Stil gut spielen will?

Also das ist für mich ein ganz wichtiger Punkt. Musik ist nicht wie ein Supermarkt, wo ich heute auf Latin mache, morgen auf Rock, übermorgen auf Hip Hop und dabei glaube, alles zu können. Es ist schon klar, dass man lernen möchte und Interesse an verschiedenen Dingen hat, aber alle tollen Musiker und Künstler anderer Sparten, die ich kennenlernen durfte, Leben das auch wirklich was sie sind. Ich glaube insofern ist es schon wichtig, dass man in sich hinein schaut und herausfindet, was einen wirklich zum Schwingen bringt und antreibt. Viele spielen in 20 Bands, was mir ja schon fast wie eine Art Olympiade vorkommt. Gleichzeitig wundert man sich dann, wieso aus keiner davon wirklich etwas wird – also in dem Sinn, dass es eine Basis bildet für ein Leben nicht nur für, sondern auch von der Musik. Da finde ich es sinnvoller, sich auf wenige Projekte umso intensiver einzulassen.

Du bist in der Steiermark aufgewachsen. Ab wann hast du dich dort intensiv aufs Schlagzeug eingelassen?

Ich hatte schon immer das Gefühl, als Musiker auf die Welt gekommen zu sein. Solange ich denken kann, wollte ich trommeln, das hat mich fasziniert. Nur war bei der Wohnsituation meiner Eltern Schlagzeug nicht wirklich angesagt, also habe ich zuerst Akkordion und dann Fagott gelernt. Mit 16 habe ich mir dann nach einem Ferialjob ein Schlagzeug gekauft und zwei Tage später in einem Anfall völligen Wahnsinns eine Band gegründet. (lacht) Die einzige wirkliche Entscheidung in dem Sinn gab es dann nur zur Zeit meiner Matura, als ich eigentlich Medizin studieren und Kinderarzt werden wollte. Dabei habe ich die ganze Zeit nur gespielt und geübt. Mein damaliger bester Freund hat mir dann zugeredet und gemeint: „Alex, schau dich an – wenn du keine Musik machst, bist du ein Vollidiot!“. Das war der Punkt, an dem ich gespürt habe, dass ich mich jetzt wirklich dafür entscheiden muss. Ich glaube, wenn man Musik nicht aus Liebe zur Musik, sondern aus irgendwelchen anderen spekulativen, oberflächlichen Gründen machen will, dann haut es einen in der ersten engeren Kurve auf die Schnauze.

Wo und wie kam in der Folge speziell dein Interesse für Jazz und afroamerikanische Musik auf?

Jazz war eigentlich eine Vergewaltigung durch die Uni in Graz, wo ich studiert habe. Mich hat immer Musik interessiert, die Leute zum Tanzen bringt. Darum geht es mir beim Schlagzeug auch. Nur der damals angeblich beste Schlagzeuglehrer Österreichs hat in Graz unterrichtet und das war nunmal eine Jazzabteilung. Auf einmal war ich dort mit Dingen konfrontiert, bei denen ich nicht gewusst habe, wo links und rechts ist. Ich habe mir das in der Folge halt mehr oder weniger drauf geschafft. Wobei ich Jazz natürlich nach wie vor liebe, es ist eine großartige Kunstform. Ich bin aber ein Mensch, der nicht in seinem eigenen Klischee ersaufen und ewig dasselbe machen will. Dadurch habe ich mich auch immer mehr dem Funk, Soul und Hip Hop gewidmet.

Du warst in den letzten Jahren auch vermehrt als Produzent tätig und hast dich – angefangen bei Anna F. – zu einem wahren Talente-Scout entwickelt.

Mit Anna F. arbeite ich jetzt seit über zehn Jahren zusammen. Am Anfang hatten wir einen High Profile Manager, den ich aus New York kannte. Der hat aber überhaupt nicht so gearbeitet, wie wir uns das gewünscht hätten. Der war eher im Versuch unterwegs, jemanden zu verbiegen, um ein bestimmtes System zu bedienen. Das war aber etwas, an das ich nie geglaubt habe. Ich glaube vielmehr, dass man mit den Künstlern arbeiten und das ganz Spezielle an ihnen hervorheben muss. Das ist die einzige Chance, die man hat. Also haben wir uns gesagt, dass wir das selbst können und aus der Not eine Tugend gemacht. Ich bin immer für nachhaltige Arbeit – um dieses vielmissbrauchte Wort zu verwenden. Nachhaltig in dem Sinn, dass man lange Wege miteinander geht und das Bewusstsein weckt, dass Künstler immer auch Unternehmer ihrer eigenen Geschichte sind.

Wie du es unter anderen auch bei John Megill und Thomas David getan hast?

Genau. Mit Thomas David arbeite ich seit zwei Jahren zusammen und John ist über die vielen Jahre einer meiner engsten Freunde geworden. Mir macht es einfach Spaß, mit solchen Leuten zu arbeiten, die geerdet sind und keine Kunstfiguren oder gecastete Künstler.

Du warst dann allerdings im Vorfeld des Songcontest in eine Art Casting involviert.

Ich durfte für den ORF eine vierteilige Sendung mitgestalten, wo am Ende der Beitrag zum Songcontest herauskommen sollte. Ich habe zwar deklariert, dass ich da absolut kein Experte für so etwas wie den Songcontest bin, aber mir gefiel es, weniger bekannten Bands und Künstlern aus Österreich die Möglichkeit zu geben, dieses Forum von Mainstream-TV für sich zu nutzen. Ich glaube, dass uns das ganz gut gelungen ist. Wir müssen uns auch nicht für unseren Beitrag genieren, denn wir hatten einen genialen Song am Start und die Makemakes haben eine gute Karriere vor sich. Im Verlauf des Castings habe ich gesehen, wie viel Talent und Potenzial es in Österreich gibt. Da müssen wir ein bisschen unseren österreichischen Minderwertigkeitskomplex ablegen, aber das hat sich in letzter Zeit eh schon gebessert.

Was an deinem Schlagzeugspiel auffällt, ist dein reduzierter und zugleich energiegeladener dynamischer Stil. Das zeigt sich auch an deinem knappen Set-Up. Seit wann spielst du mit diesem und gab es bei dir irgendwann ein Umdenken in diese Richtung?

Da gibt es ein paar Schlüsselerlebnisse. Zum einen als ich in jungen Jahren auf einem großen Festival mit einem der weltbesten Jazzer gespielt habe. Während es gerade irrsinnig abgegangen ist auf der Bühne, habe ich kurz ins Publikum geschaut, wo ich lauter überfragte Gesichter gesehen habe. Das hat auf mich gewirkt, als wäre ich ein Atomwissenschaftler bei irgendeiner Fernsehdiskussion, der in seinem Fachjargon redet und niemand versteht ihn. Damals habe ich mir gedacht: „Alex, das Bild will ich nie mehr sehen!“ Ich will Menschen sehen, die tanzen, Spaß haben, schreien und heulen. Ich sage nicht, dass Jazzmusiker das nicht können, aber ich mache nicht Musik, um die Jazzpolizei von meiner tollen Großartigkeit zu überzeugen – das geht mir inzwischen schon sowas von am Arsch vorbei. Ein anderes Erlebnis war im Jazzclub Bradley’s in New York, in dem immer nur kleine Besetzungen ohne Schlagzeug gespielt haben. Dort hat mich Tom Harrel gefragt, ob ich eine Woche lang einfach nur am Becken begleiten wolle beim Latenight-Set. In dieser Woche habe ich erkannt, wie viel man aus einem einzigen Becken rausholen kann. Das war eine unglaubliche Erfahrung. Von da an habe ich mich gefragt, worum es wirklich geht, habe meinen ganzen Equipment-Kram rausgeschmissen und jahrzehntelang nur mit Bassdrum, Hihat, Snare sowie einem einzigen abgerockten Becken gespielt. Für mich ist seither immer noch die Challenge: Wie wenig kann ich machen, dass es sich trotzdem noch ausgeht? Man kann sich leicht hinter tausenden Noten verstecken, das ist einfach. Aber nur ganz wenig zu spielen erfordert Mut und die Parklücke wird dabei irrsinnig breit, sodass man genau drauf achten muss, wo man sich einparkt – wo man also die eine Viertel hinsetzt. Jeder setzt sie woanders hin, da geht es um einen Mikrokosmos und das ist für mich genauso eine Art von Technik. Das Instrument ist immer nur das Instrument, der Sound bist aber immer du selbst.

Wie handhabst du das als Lehrer?

Ich versuche grundsätzlich niemandem etwas einzureden. Ich hatte auch nie so etwas wie ein System. Ich glaube nicht so wirklich an Systeme, denn für mich ist jeder Mensch anders, jeder kommt woanders her und will woanders hin. Alleine das zu erkunden ist für mich die Herausforderung. Klar gibt es ein gewisses nützliches Grundbesteck, aber dann gibt es eben auch solche Schlagzeuger wie Paul Motian, die einem zeigen, dass man sich in Wahrheit trauen muss, wieder einen kindlich-naiven Zugang zu bekommen und dieses Richtig-Falsch-Denken hinter sich zu lassen. Erst dann kann man kreativ sein. Das ist zumindest mein Zugang.

Der verspielte Zugang kam auch bei Cafe Drechsler besonders gut zum Ausdruck. Im Porgy & Bess wird es eine Reunion geben?

Ganz genau. Cafe Drechsler war ja quasi die Wiener Version davon, was ich in New York mit Pink Inc. und anderen gestartet habe. Wir werden auch vor dem Auftritt im Porgy & Bess keinen Ton miteinander spielen oder proben, sondern einfach nur rausgehen und aufschlagen. Das war schon immer das Besondere daran: Auf die Bühne zu gehen in vollem Vertrauen darauf, dass es jetzt geil wird. Ohne dass irgendwer weiß, wer anfängt oder was überhaupt passiert. Dabei geht man total im Moment auf.

So wie beim Meditieren und Yoga, das du seit einiger Zeit praktizierst?

Ich meditiere schon seit vielen Jahren und habe ein Sortiment an Übungen, die ich jeden Morgen mache. Darunter ist auch Yoga und Tai Chi. Mein erster Tai Chi Lehrer war eigentlich Woody Shaw, mit dem ich das auf Tour durchgezogen habe. Das Ganze dauert eine gute Stunde, aber es hält mich zusammen und das Meditieren ist für mich – vor allem in Zeiten wie diesen – eine Möglichkeit, mich in mein innerstes Selbst zurückziehen zu können und mich nicht mit meinem Ego zu verwechseln. Dabei geht es um körperliche und geistige Gesundheit, außerdem ist Musik auch ein hoch spiritueller Akt. Es geht um das gemeinsame Erleben und um die Energie. Nicht um schnelle Sechzehntel oder viele Noten, sondern es geht am Ende des Tages immer um Energie.

 

Interview: Moritz Nowak

 

„40 Years Of Smoking Drums“  –  4./5./6. März im Porgy & Bess

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