Tragische Schönheit in elektronischem Gewand – »Hold Sand« von Jelka
Auch bei musikalischen Experimenten muss die Chemie stimmen – das Album „Hold Sand“ von Dust Covered Carpet Frontman Volker Buchgraber vereint mit seinem neuen Projekt Jelka hart mit sanft, laut mit leise und erzeugt tragische Schönheit in elektronischem Gewand.
von Philipp Spiegl
Die Opener Songs werden von viel Synths harten Drums und detailreicher Produktion getragen, jeder Sound kommt in Begleitung von einem anderen und lädt einen dazu ein, genau zuzuhören und sich in Industrial Sounds zu verlieren – Depeche Mode Fans werden sich daran erfreuen. Im Kontrast zu den harten Drumbeats und Basslines befindet sich eine zerbrechliche Stimme, die mit ihrer Verletzlichkeit an Größen wie J.Spaceman erinnert. Dank den introvertierten Texten, versteht man, warum Buchgraber die Vocals eher in den Instrumentals schwimmen lässt – einen Tagebuch schreit man schließlich auch nicht in die Menge.
Dennoch hinterlässt uns Buchgraber nicht nur Hinweise, sondern zeigt mit dem Finger auf die Tagebucheinträge, die am meisten wehtun. „I started to grind my teeth at night, when I sleep close to you“ in „Teeth“, ist einer dieser Augenblicke ungefilterter Ehrlichkeit, in dem er aus dem Verstecken ausbricht und sich ganz und vollkommen vulnerabel zeigt.
Dieser Charme und Charakter die Buchgrabers Stimme dem Album verleiht geht in den Momenten verloren, wenn er sich selbst herausfordert und dann nicht liefern kann. Track Nummer vier „A Sea For Two“ beginnt ruhig und gibt der Hörerschaft einen Moment zum Ausatmen. Doch kaum ist man entspannt, bricht der Song in lange theatralische Vocal Passagen, die einen aber schlussendlich doch nicht überzeugen können.
„Objects“ folgt, einer meiner persönlichen Höhepunkte auf dem Album. Das Instrumental lässt The CureEinflüsse vermuten – schön platzierte Keys, Gitarren, die viel Platz zum Klingen haben und ein Chorus der einen anzieht wie Schwerkraft.
Auch „Lake Estonia“ ist ein gutes Beispiel dafür, was dieses Album alles richtig macht. Der Song lässt sich Zeit, baut sich schön auf und die unglaubliche Liebe fürs Detail macht sich wieder sehr bemerkbar – zu jedem Zeitpunkt lassen sich schöne Sounds finden. In der ersten Hälfte des Albums mag man zwar an manchen Stellen etwas überfordert sein, doch auf den späteren Tracks wird dann, etwas mehr akzentuiert, etwas präziser, mit etwas mehr Gefühl – ein genauso volles und voluminöses Soundbild geschaffen.
„Empathy Fantasy“ beginnt mit 80-er Synth Sounds, die etwas billig und unpassend erscheinen und ich stellte mich beim Hören schon etwas darauf ein, dass mir dieser Titel wohl nicht gefallen wird, jedoch verwandelt sich der Song, in der zweiten Hälfte, in einen der interessantesten Momente des ganzen Albums. Man wird von einem starken Chorus, wie durch ein schwarzes Loch in eine noch stärkere, harte instrumental Bridge gezogen und auf der anderen Seite herausgekommen fragt man sich, wo man hier nun herausgekommen ist. Denn Buchgraber gibt keine Antwort, sondern hört einfach auf.
Pop-Potenzial offenbart die Platte „Hold Sand“ mit „Brandstifter“. Die Melodie treibt den Verse an, man bewegt sich mit, nickt mit dem Kopf. Wieder hört man 80-er Synths – diesmal passend, subtiler, geschmackvoller. Ob die Platzierung als zweitletzter Songs des Albums eine gute Entscheidung war, lässt sich für mich schwer bestimmen. Beim Durchhören wartete ich nur auf einen etwas lockereren, treibender Song, jedoch ist die Belohnung dann nach dem Warten umso größer. In „Brandstifter“ steckt viel Replay-Potenzial. Der Track macht grundlegend alles richtig, einzig zu kritisieren wären hier ebenfalls die Vocals – man wünscht sich doch etwas mehr Selbstbewusstsein und Kraft.
Mit „When I See You“ verabschiedet sich „Hold Sand“ mit Geschmack – wenn auch um einiges schmaler und ruhiger als erwartet. Anstatt eines großen Crescendo bleibt der letzte Song ruhig und bedacht, trumpft dafür mit interessanten Sounds und sehr schönen Vocals auf. Mit einer neugefundenen Sicherheit singt Buchgraber Zeilen wie „Before I go to sleep, i put my pains in order“. Man muss unweigerlich anPlacebo denken, ohne den Song mit Placebo zu vergleichen und nach dem letzten Ton vermisst man das erwartete Crescendo gar nicht.
Diese letzten Töne lassen einen mit dieser schönen Tragik zurück. Man atmet die kühle Nachtluft aus, dreht den Schlüssel in das Schloss und geht zurück in die Wärme. Mit dem Gefühl, dass die Traurigkeit eine Kunst der Schönheit ist und wenn man sie erkennt, dann kann man endlich schlafen gehen.
Foto: (c) Jelka