Szenen. Nischen. Subkulturen. Vergemeinschaftete Ekstase – Die Technoszene.
Im Strobolicht der Scheinwerfer tummeln sich, dicht aneinander, schwitzende Körper. Auf der Tanzfläche ist die Stimmung exzessiv, die Bässe, die sich durch den Raum schlängeln sind tief und eingängig. Das Publikum verschmilzt immer mehr zu einer Masse, die sich voll und ganz der Musik hingibt. Beat für Beat. Atemzug für Atemzug. Wir befinden uns mitten in einem Techno-Rave. Aber was ist darunter eigentlich zu verstehen? Was macht die Techno-Szene aus, wie ist ihre Geschichte? Und wie schaut das ganze hier bei uns in Wien aus?
von Magdalena Zimmermann

Nun mal von Anfang an. Seine Anfänge nahm die Technoszene innerhalb der zweiten Hälfte der 1980er Jahre in Chicago. Dort wurde zunächst “House” als neuer Musikstil etabliert, der seinen Namen dem legendären Disco-Club “Warehouse” zu verdanken hat. Die Musikrichtung des Techno basiert grundlegend auf dem Einsatz von Computer und Synthesizer mithilfe derer Klänge und Geräusche hergestellt werden. Die Technoszene war somit die erste jugendliche Subkultur, die sich durch eine technische Affinität auszeichnete. Die voranschreitende Technik, nicht nur im musikalischen Sinne, wurde nicht als Bedrohung, sondern vielmehr als Chance angesehen. Der Klang der Musik orientiert sich dabei am Rhythmus, denn Techno soll vor allem eines tun: die Beine lockern und sie zum Tanzen bewegen. Die Möglichkeit dem tristen, grauen Alltag zu entfliehen zählt zu den Grundpfeilern der Techno-Szene, die sich gerade in ihren Anfängen absichtlich als unpolitische und konsumorientierte Jugendbewegung, im Gegensatz zu ihrer Eltern-Generation der 68er Bewegung, positionierte. Dieser Eskapismus wird einerseits eben durch die Art der Musik betrieben, die mit der Generierung eines Freiheitsgefühl einhergeht, aber auch durch das Konsumieren von Drogen. Ecstasy gilt und galt Jahrzehnte lang als das Markenzeichen der Technoszene.
In den 80er Jahren war Techno noch underground, aber innerhalb kürzester Zeit, trat die Techno-Szene immer mehr aus ihrem Nischen-Dasein heraus. In den 1990er Jahren war dann schließlich Techno, neben der Subkultur des Hip Hops, DIE Jugendszene schlechthin. Alles war “spacig”, die Plakate voll mit Raumfahrtmotiven und Science-Fiction Anspielungen. Der Look passte auch dazu: synthetisch und schrill, bunt und silbern, prägten Jahre lang das äußere Erscheinungsbild der Szenemitglieder*innen. Viel Haut und wenig Stoff, war überdies hinaus die Devise. Dabei ist und war ein asexuelles Verständnis von Körpern immer vorherrschend. Was in anderen Genres als sexy dargestellt worden wäre, wurde innerhalb der Subkultur des Technos stets als eine Auseinandersetzung mit dem eigenen Körper und ein Spiel mit diesem, verstanden. Jeder Körper ist ein Körper – egal wie viel Kleidung diesen verhüllt, oder eben nicht. Das ist auch heute noch das Verständnis von Körpern innerhalb der Szene – was auch die Sex Positive Partys zeigen. Diese sind nicht als Sex- oder Swingerparties zu verstehen, sondern als Raum indem jeder Körper akzeptiert wird und sich Menschen komplett frei zur Musik entfalten und bewegen können. Das Einzige was vorgeschrieben wird, ist der Dresscode. Die Straßenkleidung wird an der Garderobe abgegeben und es wird in Dessous und Unterwäsche zur basslastigen Musik getanzt.
Genau auf diese Art von Partys hat sich das feministische Kollektiv “hausgemacht” spezialisiert und veranstaltet neben Sex-Positive Partys, auch andere Techno-Feierlichkeiten in Wien. Wir haben mit Sabrina, die im Vorstand von “hausgemacht” und als DJ “purrdition” aktiv ist, gesprochen und ihr einige Fragen über die Techno-Szene im Allgemeinen, aber auch speziell zur ihrer Arbeit im Kollektiv gestellt:

Wie definiert sich das “hausgemacht” Kollektiv? Wer seid ihr?
Sabrina: Wir nennen uns gerne “feministisches Technokollektiv” – seit fast zwei Jahren haben wir einen komplett weiblichen Vorstand und wir sind alle sehr engagierte Feministinnen. Hausgemacht gibt’s nun seit über sieben Jahren und unser Hauptaugenmerk liegt auf Partys mit Musik von lokalen Künstler:innen. Wir brauchen keine großen Headliner aus dem Ausland, wir haben in unserem Kollektiv richtig gute DJs. Mittlerweile sind wir auch für unser Konzept der Sex-Positive Partys bekannt. Hausgemacht hat das Konzept der Sex-Positive Party in Wien etabliert und groß gemacht – es war ein bombastischer Erfolg. Wien hat das definitiv gebraucht.
Was ist Techno für dich?
Sabrina: Die einzige Musik, die den:die Hörer:in in keine Richtung treibt, sondern einfach nur ist. Für mich bedeutet genau das Freiheit.
Wie definiert sich deiner Meinung nach die Technoszene?
Sabrina: Sie ist offen für jede:n! Sexismus, Rassismus, Homophobie und anderer ignoranter Sche*ss haben hier keinen Platz. Es geht bei einem Rave um das kollektive Loslassen. Toleranz und Ekstase geben sich die Hand.
Wie würdest du die Wiener Techno-Szene beschreiben? Was passt so wie es ist und was würdest du dir für Veränderungen wünschen?
Sabrina: Die Wiener Techno-Szene ist extrem gut – sowohl ihr Spirit, als auch die künstlerische Komponente. Wir haben eine große Vielfalt an Kollektiven, die wunderbare Partys veranstalten, die alle einen anderen musikalischen Schwerpunkt haben. Die einzige Veränderung die ich mir von der Politik wünschen würde: mehr Freiräume, mehr Förderung von Nachtkultur, die Sperrstunde ist auch ein Relikt aus dem Mittelalter (no joke!). Wien muss nicht Berlin werden, aber ein bisschen mehr Toleranz für die Nachtkultur könnte Wien schon aufbringen.
Wie sieht ein:e klassische:r Technohörer:in für dich aus?
Sabrina: Ich glaube die meisten Menschen, die Techno hören fühlen sich auch zumindest ein bisschen der Szene zugehörig. Daher glaube ich, dass Technohörer:innen überwiegend weltoffene, tolerante Menschen sind, die gerne durch Musik dem Alltag entfliehen.
Das mit dem Alltag entfliehen ist gerade in letzter Zeit eher schwierig. Die Clubs sind wieder geschlossen und wann sie wieder öffnen werden ist ungewiss. Wie geht ihr mit dieser Situation in eurem Kollektiv um? Wie hat Corona eure Arbeit verändert?
Sabrina: Mittlerweile sichern wir uns mit Ersatzterminen bei den Clubs ab. Wir müssen flexibel sein, wie alle im Gastro- und Kulturbereich. Aber wir versuchen die Zeit ohne Partys sinnvoll zu nutzen und an neuen Projekten, Kooperationen oder Verbesserungen für unsere Sex-Positive Partys zu arbeiten. Unsere DJs widmen sich in partylosen Phasen meist vermehrt dem Producing. Ich glaube, die größte Veränderung, die Corona brachte war, dass wir jetzt weniger Partys machen, aber diese dafür umso größer und besser geplant umsetzen. Qualität vor Quantität!
Was trägt ihr (grad im Bezug auf die jetzige pandemische Situation, aber auch sonst) für eine Verantwortung als Veranstalter:innen? Also vorausgesetzt, dass die Clubs geöffnet haben und Parties veranstalten grad “legal” ist.
Sabrina: Gerade als Veranstalter von Sex-Positive Partys nehmen wir unsere Verantwortung Safer Space für jede:n zu bieten enorm ernst. Das gilt für gesundheitliche Gefährdungen durch Corona, genauso wie für übergriffiges Verhalten durch andere Partygäste! Wir haben erst heuer Castings gemacht, um unser Awareness Team zu vergrößern. Bei unserer letzten Party im Oktober im Club Exil waren in dieser Nacht über 50 (!) Personen als Ansprechstelle für sämtliche Probleme und zur Aufklärung im Einsatz. Wir haben mittlerweile ein tolles Stammpublikum, das unsere Gedanken mit- und weiterträgt und aufeinander Acht gibt und darauf sind wir sehr stolz. Und bzgl. Corona kann ich noch sagen, dass wir auch hier wirklich Wert auf Sicherheit legen: Auf eben genau dieser Party im Club Exil ließen wir nur geimpfte und genesene Gäste hinein (obwohl 3G zu diesem Zeitpunkt rechtlich möglich gewesen wäre) – und für einen mitgebrachten PCR-Test gab’s von uns einen Shot aufs Haus!
Wir kommen nun zum Schluss. Ganz kurz noch: Was muss für dich jeder gute Technotrack beinhalten?
Sabrina: Zischende Hi-Hats und eine treibende Bassline!
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Foto: (c) Madeleine Francesca Golosetti (IG: .focuspocus.)