Christian Stolz

Als vielbeschäftigter Sessiondrummer und Substitut ist Christian Stolz ständig auf Achse. Dass dabei eine ordentliche Portion Flexibilität gefragt ist, versteht sich von selbst. Im Interview spricht der Steirer über seinen abwechslungsreichen Alltag und den hohen Stellenwert guter Vorbereitung.

Du spielst gerade acht Gigs in sieben Tagen und pendelst dabei zwischen Wien und Graz. Mit welchen Projekten bist du da gerade beschäftigt?

Wir spielen gerade eine CD Präsentations-Tour mit Blue Connection. Mit dieser Band haben wir gerade das fünfte Album herausgebracht und haben selbiges in der Grazer GMD präsentiert. Gestern war dann ein Combo-Gig mit Jazzgeiger Chris Mallinger, heute steht noch eine Fernsehaufzeichnung mit Klimmstein in Graz an, davor hatte ich gerade noch eine Probe mit Eric Papilaya in Wien, mit dem ich dann morgen hier spiele, bevor dann am Sonntag ein Gig am Grazer Stadtfest ansteht. Ein paar Stunden später gibt es dann noch einen Gig mit Eric und Vincent Bueno in Wien. Zwischendurch sind noch Proben für die Sommershows von Leo Aberer. Ich habe also die Ehre, ein paar Mal pro Woche zwischen Graz und Wien zu pendeln. (lacht)

Eine normale Woche für dich?

Ja, solche Wochen gibt es des Öfteren. Die Schwierigkeit liegt eben darin, diverse Sachen zu koordinieren, weil die natürlich nicht aufeinander abgestimmt sind. Da wird's das ein oder andere Mal schon durchaus spannend und zeitlich knapp. Oft sind eben auch mal zwei Gigs pro Tag am Start. Da ist man dann angewiesen auf eine gute Technik Crew, wenn man nicht selbst soundchecken kann und hat dann hoffentlich keinen Click mit 135 dB im Ohr, bis einem der erste Winker zum Monitormann gelingt.

Du hast sowohl Klassik, Jazz als auch Pop studiert. Hast du in der Folge alles gleichermaßen betrieben?

Nein, eigentlich überhaupt nicht. Der Schwerpunkt liegt bei mir eindeutig auf Drumset und Popularmusik. Ich habe zwar ein Klassikstudium begonnen, dann aber mit Popularmusik weitergemacht. Abgeschlossen habe ich dann ein Jazzstudium. Ich habe aber immer versucht, verschiedenste Sachen zu spielen und auch anwenden zu können. Schlussendlich ist es, glaube ich, egal, wie man eine Stilistik bezeichnet, es gibt im Endeffekt nur gute oder schlechte Musik. Ich habe aber auf alle Fälle sehr viel mitnehmen können aus diversen Studien.

Gibt es in deinen Augen wirklich „gute“ und „schlechte“ Musik oder ist es eher reine Geschmackssache? Da scheiden sich ja häufig die Geister...

Natürlich ist Musik Geschmackssache. Aber es gibt für mich zumindest gut- und schlechtgemachte Musik. Bestenfalls treffen einfach ein paar Faktoren zusammen, die es dann lukrativ machen, einen Job zu spielen.

Welche Faktoren haben für dich Priorität?

Mir ist beispielsweise das Handwerk recht wichtig – also, dass die Mitmusiker einfach gut spielen. Dann kommt natürlich der Musikgeschmack und auch der menschliche Aspekt dazu. Es hilft nix, wenn es eine geile Band ist, mit der man spielt, aber es menschlich nicht passt. Schlussendlich gibt es dann auch die finanzielle Komponente. Schließlich will man ja auch was verdienen mit seinem Job. Aber grundsätzlich, wenn die meisten Faktoren bei einem Projekt passen, spiele ich den Gig.

Trennst du dabei eigentlich noch zwischen Projekten, die für dich persönlich musikalisch erfüllend sind und solchen, die du als reinen Job betrachtest oder verschmilzt das bei dir?

Die Grenzen sind fließend, aber ich versuche das auch in einer gewissen Balance zu halten, was allerdings auch immer wieder eine ziemliche Herausforderung darstellt. Aber ich sage einfach irrsinnig gerne zu und bin von vielen Sachen begeistert, deswegen muss ich da noch ein bisschen an mir arbeiten, um zu lernen, öfter nein zu sagen. Dankenswerterweise arbeite ich mit einigen tollen Kollegen und Substituten gut zusammen, da werden oft Gigs und somit auch Leadsheets getauscht.

Was eine besondere Herausforderung darstellen muss, ist das ständige Wechseln zwischen den Stilen. Wie gehst du damit um?

Es ist auf alle auch Fälle im Kopf ein riesiger Unterschied, ob man am einen Abend einen Rockgig spielt und am nächsten Tag mit einer Bigband. Sowohl motorisch gesehen als auch was den Humor betrifft. Eine durchschnittliche Rockband hat meist einen anderen Humor und einen anderen Vibe als eine Band mit Jazzern und da muss man dann auch oft switchen. Ich substituiere viel und da muss man sich eben in allen Belangen anpassen. Musikalisch gesehen wäre das beispielsweise ohne Noten für mich kaum möglich. Im Jahr habe ich um die 25 Arbeitgeber, also könnte ich ohne Noten schwer meinen Job erledigen. Hätte ich nicht die Fähigkeit, mir die Sachen aufzuschreiben und zu notieren, wäre es sehr schwierig. Gott sei Dank habe ich das auf diversen Konservatorien und Unis gelernt. Im Idealfall spielt man einen Gig natürlich auswendig ohne Noten, um nicht abgelenkt zu sein, aber es gibt halt genug Situationen, in denen es ohne einfach nicht geht.

Wie handhabst du das mit den Noten, lässt du sie dir geben oder notierst du lieber selbst?

Teil teils. Aktuell habe ich etwa gerade ein Bigband-Projekt, The Rats Are Back von Puls 4, bei dem alles ausnotiert ist, aber es gibt dann auch Sachen, wo nur Audiomaterial existiert und man sich die Songs selbst heraushört. Wobei man mit den Jahren seine eigenen Techniken entwickelt, um Zeit zu sparen. Man lernt, welche Informationen wirklich wichtig sind für den Gig, wenn es drauf ankommt. Es gibt ja auch viele Gigs, bei denen es keine Proben gibt im Vorfeld und wenn man dann auf die Bühne geht um „abzudrücken“, braucht man die richtige Auswahl an Informationen. Dazu kommen dann natürlich die technischen Infos: Spielt man zu Playbacks, gibt es einen Clicktrack, gibt es einen Monitormischer und kann man mit dem gut interagieren und so weiter. Ich versuche also, das ganze Szenario im Vorhinein durchzuspielen und möglichst alle Fakten abzuchecken.

Bekommst du in deinem Job überhaupt eine gewisse Regelmäßigkeit rein beziehungsweise kannst du von einem „Alltag“ sprechen, den du dir einteilst?

Die Regelmäßigkeit ist die Unregelmäßigkeit. (lacht) Also es ist immer alles ein bisschen anders. Ein durchschnittlicher Tag besteht aus zwei Stunden Üben, mich vorbereiten auf einen Gig, dann vielleicht eine Probe und Abends ein Auftritt, könnte man sagen. Oder ich mache Vormittags einen Studiojob und unterrichte dann Nachmittags am Konservatorium in Graz. Es sind auf jeden Fall verschiedenste Situationen zu bewältigen und langfristiges Planen ist in diesem Job leider kaum möglich. Manchmal hätte ich das gerne, sagen zu können, was nächstes Jahr um diese Zeit sein wird. Aber das ist leider unmöglich. Speziell in der Substituten-Welt kann es immer wieder passieren, dass man erst einige Tage im Vorhinein erfährt, dass man wo einspringt. Man muss da immer vorbereitet sein. Ich habe zum Beispiel immer ein Schlagzeug im Auto, das ich nie ausräume und um Handy und Internet kommt man sowieso nicht herum. Als Ausgleich gehe ich aber zum Beispiel sehr gerne laufen. Das hilft mir auch, zumindest halbwegs fit zu bleiben.

Aber kommst du eigentlich noch dazu, eigene Sachen zu üben oder einfach mal für dich zu spielen bei deiner Tätigkeit?

Ich genieße es extrem, wenn ich einmal etwas üben kann, das ich nicht für einen bestimmten Gig brauche. Das ist leider eher selten und wenn, dann gibt’s da mehr Platz dafür in den Wintermonaten. So etwas tut der Seele einfach sehr gut, aber so richtig acht Stunden am Tag zu üben, das war nur vor und während meiner Studienzeit möglich. Es gibt natürlich immer noch sehr viele Sachen, die mich interessieren und die ich weiterentwickeln möchte. Das wird hoffentlich auch noch lange so bleiben.

Ich nehme an, du hörst primär Musik, die du selber spielst. Gibt es da noch Momente, in denen du für dich deine private Musik hörst?

Ich hatte auch schon eine Phase hinter mir, in der ich privat keine Musik mehr hören konnte. Da war der CD-Player im Auto über eineinhalb Jahre lang aus. Das war dann ein Zeichen für mich, dass es in der Zeit offenbar einfach zuviel des Guten war und das darf dann auch nicht sein. Mittlerweile höre ich privat natürlich wieder sehr gerne Musik. Foo Fighters ist zum Beispiel gerade im CD-Player im Wechsel mit Snarky Puppy. Es ist eben schon wichtig, dass man sich neuen Input holt – Pharrell Williams finde ich gerade auch großartig zum Beispiel!

Du spielst bereits seit deinem sechsten Lebensjahr Schlagzeug, haben dich deine Eltern an das Instrument herangeführt?

Meine Familie ist allgemein sehr musikalisch und es ist immer viel gespielt worden bei uns zuhause. Angefangen habe ich in der örtlichen Blasmusikkapelle in der Obersteiermark und der erste Gig war dann auch bereits mit fünf Jahren. (lacht) So hat das dann seinen Lauf genommen. Mein Vater ist Trompeter und hat nebenberuflich sehr viel gespielt. Da bei uns immer viele Instrumente zuhause herumgelegen sind, habe ich natürlich vieles durchprobiert und das Schlagzeug für mich auserkoren, quasi. Meine erste richtige Band hatte ich dann mit zwölf Jahren, da haben wir Alanis Morissette und Nirvana gecovert. Diese Bands haben mich damals natürlich sehr beeinflusst. - Neben den großen Schlagzeugern wie Vinnie Colaiuta, Dave Weckl oder auch Dennis Chambers.

Bist du auch häufig am Songwriting beteiligt und schreibst du auch selber Musik?

Bei Klimmstein bin ich zum Beispiel Bandmitglied und auch beim Songwriting dabei, genauso wie bei Blue Connection. Bei einigen anderen Projekten mit eigener Musik steuere ich auch mal nur die Drumparts bei, wie beim Orgeltrio mit Peter Taucher und Gunther Schuller, Finely Tuned oder Miss Bliss. Also es ist mir schon wichtig, auch Eigenes zu schaffen, quasi einen Fußabdruck zu hinterlassen, wenn etwas Neues entsteht. Als Sessiondrummer muss man sich aber bei den meisten Jobs eher unterordnen und zurückstecken, schauen, dass sich die Band wohlfühlt.

Bist du jemand, der seinen Sound gerne mitnimmt in diverse Projekte oder achtest du darauf, dich möglichst gut anzupassen?

Ich versuche, eine Mischung zusammenzubringen. Also, dass ich als Substitut schon den Sound des eigentlichen Banddrummers übernehme, damit sich die Band wohlfühlt. Aber trotzdem will ich nicht ganz meine Handschrift verlieren und versuche, meine eigene Soundvorstellung umzusetzen. Wobei ich natürlich kein Problem damit habe, wenn jemand genau sagt, was er gerne hätte.

Was wärst du heute, wenn du nicht Schlagzeuger geworden wärst?

Schwierige Frage. Ich habe eigentlich auch eine HTL abgeschlossen und das war irgendwie mein Backup. Aber im Grunde war es nie wirklich Thema für mich. Ich hatte dadurch zwar immer im Hinterkopf, dass ich auch mit etwas anderem Geld verdienen könnte, aber das Herz wäre wohl nie so sehr dabei gewesen wie jetzt beim Schlagzeugspielen. Das war einfach nur der Sicherheitsgedanke damals, aber mit sechzehn habe ich eigentlich schon gewusst, dass ich nur den einen Weg gehen will. Aber natürlich kommen mit der Zeit auch andere Ziele dazu, wie Familie gründen oder ein Haus zu bauen, an das denkt man mit fünfzehn oder sechzehn eben noch nicht.

Interview: Moritz Nowak