Christian Glöckler

Wie sich Schlagzeug und Percussion die Hände reichen, kann man bei Christian Glöckler gut beobachten. In beiden Metiers gleichermaßen beheimatet, erzählt er von seinen Ansätzen, diese miteinander zu verbinden. Als studierter Kultur- und Sozialanthropologe reicht seine Beschäftigung mit Musik jedoch noch weit über den aktiven Bereich hinaus.

Du hast schon sehr jung zur Musik gefunden und zwar durch die sogenannte Orff-Schulung. Was kann man sich darunter genau vorstellen?

Das war im Kindergartenalter und ist am ehesten als musikalische Frühförderung zu verstehen. Damals hat es angefangen, dass Musik für mich eine wesentliche Rolle spielt. Ich habe es eigentlich meinen Eltern zu verdanken, dass sie so aufmerksam waren und bemerkt haben, dass ich mir als kleines Kind aus verschiedenen Kisten und Kartons ein Schlagzeug zusammengebaut und versucht habe, es systematisch zu spielen und nicht einfach irgendwie draufzuhauen. Ganz am Anfang habe ich aber Blockflöte gelernt - wie fast alle, glaube ich. (lacht) Es wurde aber ziemlich bald erkannt, dass ich etwas mit Rhythmus machen sollte. Die Orff-Schulung selbst war fokussiert auf das Spielen in der Gruppe und das Entdecken verschiedener musikalischer Elemente, Töne und Melodien. Dabei war aber auch der Körper stark mit einbezogen, was ich heute sehr wichtig finde, weil Musik ohne Bewegung für mich nicht komplett ist. Wenn ich spiele, dann ist es das Schönste, wenn ich merke, dass sich das Publikum dazu bewegt. Dann ist das Ding komplett.

Du hast dich in der Folge sehr viel mit afrikanischer und lateinamerikanischer Musik beschäftigt, wo körperliche Bewegung und Interaktion ebenfalls eine große Rolle spielen. Glaubst du da an einen Zusammenhang mit deiner Früherziehung?

Das kann ich mir schon vorstellen, ja. Wahrscheinlich eher auf unbewusster Ebene oder vielleicht auch, weil ich dadurch einen recht offenen Zugang zur Musik habe und versuche, Schubladendenken zu vermeiden. Das wird leider zu häufig getan, dass Stile bewertet und streng eingeordnet werden. Ich finde, da geht viel zu viel Zeit und Energie drauf mit diesen Diskussionen und Streitigkeiten, das bringt keinem etwas. Was jemandem gefällt ist wieder eine andere Frage und natürlich gibt es verschiedene Geschmäcker, aber es geht letztendlich um Musik. Bei mir hat sich das breitgefächerte Interesse auch durch meine Lehrer entwickelt, die mich inspiriert haben zu schauen, was es noch für Stile auf der Welt gibt. Ich war ja am Anfang bei der Blasmusik und hatte damit meine ersten wertvollen Bühnen- und Auftrittserfahrungen, obwohl es meinen Geschmack nicht wirklich trifft. Jedenfalls bin ich im Laufe der Zeit auch am Drumset vom Pop-Reportoire abgewichen und habe durch die Lehrer, die in verschiedensten Stilen fit waren, einen weiteren Blick bekommen. Es ist aber vielleicht kein Zufall, dass ich mich besonders für diese Horizonterweiterung interessiere und letztendlich bin ich jetzt sowohl als Schlagzeuger als auch als Percussionist tätig.

Wie sehr trennst du diese zwei Tätigkeiten? Beziehungsweise wie sehr beeinflussen sich Schlagzeug und Percussion gegenseitig?

Also die erste Phase bei der Percussion war bei mir im Grunde ein Ausprobieren, das war eigentlich eh schon in der Orff-Schulung, da ist auch eine Djembe herumgestanden, auf der ich herumprobiert habe. Mein zweiter Schlagzeuglehrer hat sich selbst im Laufe der Zeit immer mehr auf Percussion konzentriert und er hat mir sehr viel davon vermittelt. Dabei hat es klick gemacht, vor allem eben auf der körperlichen Ebene. Der Kontakt zum Instrument ist ein viel direkterer, da du nicht deinen Stick als verbindendes drittes Glied dazwischen hast, sondern den Ton unmittelbar mit deiner Hand erzeugst. Das betrifft sämtliche Handpercussion-Instrumente. Das klingt jetzt vielleicht so, als würde ich die Percussion bevorzugen, aber das stimmt so auch nicht. Für mich läuft es vielmehr ständig so dahin, dass sich Schlagzeug und Percussion gegenseitig befruchten. Ein wichtiger Grund, warum ich auch am Schlagzeug die Latin-Sachen gut spielen kann ist nicht nur das viele Hören der entsprechenden Musik, sondern vor allem auch, dass ich meist zuerst die Perspektive der Percussion verstehen wollte, also quasi den Ursprung von Samba, Cha-Cha, Bolero und dergleichen an den jeweiligen Instrumenten. Beschäftigt man sich damit, dann bekommt man ein viel besseres und tieferes Verständnis für das Ganze und kann es dann in weiteren Schritten für das Spiel am Drumset adaptieren und umsetzen. Ich würde diese Vorgehensweise generell empfehlen, wenn man afrikanische oder lateinamerikanische Rhythmen am Set spielen will. Zuerst einen Blick darauf zu werfen, welche Instrumente damit verbunden sind, denn es geht letztlich nicht nur um den Rhythmus, sondern auch sehr stark um den Sound. Nur als Beispiel: Wenn ich eine Cha-Cha spielen soll, dann weiß ich, dass zumindest Congas, Guiro, kleine Cowbell und Maracas als wichtigste Elemente dabei sind. Wenn es dann ans Set geht muss man sich überlegen, was sich ausgeht, um es mit seinen vier Extremitäten im Spiel zu vereinen. Dafür muss man sich dann ein System zurechtlegen, wie es zum Beispiel Horacio Hernandez auf großartige Weise getan hat oder auch Dave Weckl oder Alex Acuña, um die Virtuosesten in diesem Bereich zu nennen.

Du hast die Ursprünge angesprochen. Hast du dich im Zuge deines Ethnologiestudiums viel mit Musik befasst?

Zu Beginn interessanterweise nicht. Aber das hat auch damit zu tun, dass ich ursprünglich den Plan hatte, parallel dazu an der Musikuni Schlagzeug zu studieren. Diesen Plan habe ich aber recht schnell wieder verworfen aufgrund einiger Hürden und Umstände bei der dortigen Aufnahmeprüfung. Es war letztendlich gut, dass nichts daraus geworden ist, denn es hat sich dann zufällig der Kontakt zu einem Lehrer ergeben, der auch Schlagzeug und Percussion unterrichtet. In den ersten Semestern habe ich mich also ethnologisch kaum mit Musik beschäftigt. Mit der Zeit habe ich mir aber schon vermehrt Themen gesucht, bei denen Musik im Sinne ihrer sozialen und kulturellen Einbettung eine Rolle spielt. Zum Beispiel in Zusammenhang mit dem Bereich der Bewusstseinsforschung: in rituellen Kontexten werden veränderte Bewusstseinszustände wie etwa Trance oftmals u.a. über den Weg der Musik herbeigeführt. Das ist eine kulturelle Praxis, die bei uns kaum vorhanden ist und erst durch die Hintertür in der elektronischen Musik wieder Eingang gefunden hat. Aber Höhepunkt meiner musikethnologischen Auseinandersetzung war dann 2009 ein sechswöchiger Aufenthalt in Gambia. Dort habe ich mir besonders die Djembe sowie die dazugehörigen Dunduns genauer angeschaut und mitbekommen, was mit den Instrumenten in verschiedenen soziokulturellen Situationen passiert. Eben nicht nur bei traditionellen Anlässen, sondern auch auf der anderen Seite im Zuge des Tourismus. Ist bei touristischen Performances die Musik anders als bei anderen Zeremonien oder Festen? Werden die Instrumente dabei anders eingesetzt? Vollzieht sich im Rahmen des veränderten Kontextes auch ein Bedeutungswandel? Das waren meine Hauptfragen. Abgesehen davon habe ich auf der Djembe rhythmisch und technisch viel gelernt in dieser Zeit.

Zeigt nicht dieses von dir genannte Wiederkehren durch die Hintertüre in elektronischen Genres, dass der Zugang bei uns generell abhanden gekommen ist, dass man Musik im Alltag lebt?

Definitiv ja. Das hat sicherlich seine Gründe. Noch im Mittelalter war die Trommel etwas ganz Zentrales, zum Beispiel die Rahmentrommel, die über den arabischen Raum nach Europa kam. Sieht man sich heute die klassischen Orchester an, dann sind die meisten perkussiven Instrumente eher für Effekte da. Natürlich wurde vieles auch von der Kirche dämonisiert und ist dadurch mit der Zeit verschwunden. Ich glaube auch, dass früher anders getanzt wurde als es uns von Bällen bekannt ist. Ich bemerke halt leider sehr oft, dass die Bewegungen von Leuten nicht immer zur Musik passen. Es wirkt vieles total versteift, vor allem natürlich auf sogenannten Traditionsbällen, auf denen ich auch manchmal gespielt habe. Musik dient oftmals lediglich der Berieselung nebenbei. Die in vielen Musikkulturen zu beobachtende Einheit von Musik und Tanz sowie ein aktiver, bewusster Umgang damit findet sich im „Westen“ eher selten.

Du hast im Moment einige Projekte laufen. Welche stehen da besonders im Fokus in nächster Zeit?

Ich habe derzeit fünf oder sechs Projekte. Das klingt nach ziemlich viel, ist es aber nicht. Manche Projekte nehmen nur sehr wenig Zeit ein. Bei manchen steht einfach der Spaß im Vordergrund, wobei das jetzt auch wieder blöd klingt, da mir alle Projekte Spaß machen. Nur springt bei manchen eben auch finanziell etwas heraus und ist mit mehr Arbeit und Aufwand verbunden. Jedenfalls spiele ich derzeit zum Beispiel mit der JazzBox und da haben wir diesen Herbst als Highlight ein Konzert im Gläsernen Saal des Musikvereins. Ansonsten bin ich eben sowohl am Set als auch als Perkussionist tätig, wobei das dann wirklich oft ineinander übergeht, sodass ich am Set wie ein Perkussionist spiele und umgekehrt.

Kann es also auch für reine Set-Drummer sinnvoll sein, sich mit Percussion auseinanderzusetzen?

Wenn das Interesse da ist, dann auf jeden Fall. Zumindest, dass man hineinschnuppert, wenn man sich zum Beispiel mit Latin auseinandersetzen will. Umgekehrt glaube ich aber auch, dass ein Perkussionist genauso eine Ahnung vom Schlagzeugspielen haben sollte. Es ist wichtig, ein Ohr für die Mitmusiker zu haben und sich bewusst zu sein, was deren Aufgaben und Herausforderungen sind. Ich glaube, dass das die Aufmerksamkeit untereinander erhöht.

Du bist selbst in vielen Stilen beheimatet. Sind deine Hörgewohnheiten und Vorlieben ebenfalls so vielfältig oder siehst du die Vielseitigkeit manchmal auch eher als Teil des Jobs?

Es gibt auch viele Bereiche, die ich selbst nicht spiele, aber mit Begeisterung höre. Eine wichtige Sparte in dieser Hinsicht ist für mich zum Beispiel Metal. Bei meinen Hörgewohnheiten bin ich also sogar noch etwas breiter aufgestellt als in meiner Tätigkeit als Musiker. Aber ich habe eigentlich oft solche Phasen - die mitunter auch sehr kurz sein können – in denen ich total in eine Richtung hineinkippe. Das wechselt dann aber sehr sprunghaft wieder und ist eben quer über das Gemüsebeet verteilt. Für mich ist aber sowieso alles in der Musik vernetzt, das ist eigentlich mein Credo.

Kannst du derzeit von deiner Tätigkeit als Musiker leben?

Was mein eigenes Musizieren betrifft, hatte ich einmal so eine Phase, in der ich mir gedacht habe: Hauptsache ich mache Musik, aber nicht professionell und ohne Geld im Spiel. Interessanter Weise bin ich jetzt jedoch genau da, aber so spielt eben das Leben. Seit 2008 unterrichte ich auch und das bildet einen finanziellen Sockel, sodass ich wirklich die Projekte spielen kann, die mir taugen. Wobei mir das Unterrichten genauso Freude macht, weil es einfach schön ist, Leuten, die dein Interesse teilen, etwas beibringen und vermitteln zu können. Ich finde auch, dass man diesen Job gerne machen sollte und nicht rein aus finanziellen Gründen, denn ansonsten ginge das zu sehr auf Kosten des Unterrichts.

Interview: Moritz Nowak